Über 8.000 Fische, verteilt auf 26 Fischarten, gefangen bei 18 Hols (Einzel-Befischungen) – in der letzten Woche waren unsere Biologen richtig fleißig. Die Frage, die uns antrieb: was ist drin, in unserer Elbe? Die Methoden: Strom, Reuse und Stellnetz.


Die Steinpackungen wurden elektrisch befischt. Auf einigen Strecken steckte gefühlt in jeder Lücke ein Aal.

Wie steht es um den Aal in dem großen Strom? Und wie haben sich die anderen Arten entwickelt – gibt es ausreichend Raubfisch? Wie viel Nachwuchs gibt es bei Brassen und Aland? Mit diesen Fragen im Hinterkopf begann die diesjährige Fischbestandserhebung an unsere Elb-Strecke. Seit 2009 befischen wir jeden Spätsommer die Elbe oberhalb von Geesthacht. Größtenteils sind wir auf den gleichen Strecken und Buhnen unterwegs und nutzen die gleichen Fangmethoden. Somit haben wir eine tolle Zeitreihe, die Vergleiche einzelner Arten und Trends über die Jahre zulässt. Bereits vor einigen Wochen haben wir übrigens eine ähnliche Bestandserhebung am Elbe-Lübeck-Kanal (Link) durchgeführt.


Um ein gutes Bild vom Gesamtbestand zu erhalten – und um gezielt Wolgazander nachzuweisen, fischten wir nachts mit Stellnetzen vor den Buhnen. Einen Wolgazander fingen wir allerdings nicht, dieses stattliche Exemplar war ein „Otto-Normal-Zander“.

Rekordjahr beim Aal

Messen von Aalen schlängeln sich im Kescher.
Erfreuliches Geschlängel – so viel Aal wie in diesem Jahr konnten wir noch nie auf unserer Elb-Strecke fangen!

Die seit Jahren schwierige Situation des Aals und eine neuerlich wieder aufgeflammte Debatte um ein drohendes Fangverbot machen Erkenntnisse zu seiner Bestandsentwicklung besonders interessant. Nicht nur in dieser Hinsicht ist es äußerst erfreulich, dass 2022 „ein absolutes Topjahr beim Aal“ ist, so unser Fischereibiologe Rüdiger Neukamm. Tatsächlich übertraf die Gesamtfangmenge beim Aal alle vorangegangenen Jahre – sowohl die Anzahl als auch das Gewicht betreffend! Sogar das bisherige Rekordjahr 2018 wurde übertroffen. Besonders die große Anzahl an großen Aalen, unter denen auch Blankaale waren, erfreute unsere Biologen Rüdiger Neukamm und Mattias Hempel.

 

Blankaalabwanderung aus Besatzfisch

Die Aale der Elbe wachsen schnell und wandern für nordeuropäische Verhältnisse mit geringem Alter wieder zum Laichen ab. „Wir glauben, dass sie relativ schnell sind. Aus der Hüfte geschossen brauchen sie bis zum Blankaal 8 bis 10 Jahre – und wir besetzen schon wesentlich länger!“

Die TAbelle zeigt einen beständigen Anstieg der Aalfänge an der LSFV-Elbstrecke.
Die Tabelle unterstreicht den von unseren Biologen beobachteten positiven Trend des Aalbestandes. Auch die Größe der Fische liegt im erfreulichen Bereich.

Begonnen wurde mit dem Besatz 2010, „Wir haben zu spät begonnen, daher sieht man in der Statistik in den ersten Jahren einen geringen Bestand.“, so Rüdiger Neukamm. Gleichzeitig waren die Fische, die noch da waren, groß, das erkennt man daran, dass die Gewichtskurve über der Anzahl liegt. Dann wurde der Besatz in den Fängen spürbar und die Menge nahm zu, die Durchschnittsgröße jedoch ab. Inzwischen sind viele der Besatzfische abgewachsen, die Durchschnittsgröße hat zugenommen und mit Sicherheit sind schon einige Besatz-Generationen abgewandert. „Blankaale sind bei uns an der Elbe schon Tiere mit 60plus.“

Aalfänge gut verteilt

Ein Aal liegt auf dem Messbrett. Er misst 70 Zentimeter.
Ein Aal von gut 70 Zentimetern zählt schon zu den großen Exemplaren an der Elbe. Viele Fische wandern bereits in den 60ern als Blankaal ab.

Besonders auf unseren oberen Befischungspunkten, oberhalb von Lauenburg, fingen wir mehr und deutlich größere Aale als in den Vorjahren. Für Angler mit Zielfisch Aal können und brauchen wir eigentlich kaum einen konkreten Platz-Tipp geben, denn auf allen befischten Buhnen fingen und sahen wir große Mengen an Aal. Die Masse der Aale in unseren Fängen lag zwischen 30 und 50 Zentimetern – das ist eine an der Elbe durchaus natürliche Verteilung. Wer nun befürchtet, dass zu viele der besetzten Aale wieder herausgefangen werden, den kann Rüdiger Neukamm eines Besseren belehren: „Die fischereiliche Sterblichkeit liegt in keinem Verhältnis zum Besatz, das gilt im Übrigen für alle unsere Gewässer.“ Auf der LSFV-Strecke gibt es nur einen Berufsfischer und die Anglerfänge zeigen deutlich, dass nur ein sehr kleiner Teil der Fische herausgeangelt wird.


Wir stehen im guten Kontakt mit dem letzten Fischer der Lauenburger Elb-Strecke. Eckhard Panz versorgt uns mit Infos zu aktuellen Entwicklungen der Fischbestände.

Brassen, Aland, Döbel, Ukelei

Exzellenter, ungenutzter Döbelbestand


Döbel bis zu einer gewissen Größe konnten wir mit unseren Methoden gut nachweisen. Größere Exemplare sind jedoch mit Strom sehr schwer zu fangen, ebenso wie Rapfen. 

Die Döbelfänge waren wie in den Vorjahren sehr solide. Insgesamt ist diese Fischart sehr stabil und wahrscheinlich auch an ihren Bestandsmaximum auf dieser Elbstrecke. Mit unseren Fangmethoden weisen wir nur die kleinen Exemplare nach. Die größeren werden überhaupt nicht belästigt, weder von uns, noch von den Anglern – denn kaum jemand fischt hier auf den wirklich großen, gesunden Döbelbestand. Die Elbe ist inzwischen ein spannendes Gewässer für Döbelangler, es wird Zeit, dass es mal jemand macht!

Unmengen großer Brassen

Die größeren Brassen bilden den Löwenanteil der Biomasse in der Elbe. Das gilt auch für unsere Strecke, jedoch ist die Brassen-Dominanz nicht ganz so ausgeprägt – einfach, weil es insgesamt viele Fischarten gibt. Dennoch bekamen wir einen guten Eindruck von der unglaublichen Fischmasse, als wir nachts die Stellnetze auslegten. Wer sich hier mit Futterkorb oder Kopfrute auf die Steinpackung setzt, wird garantiert keine Langeweile bekommen. Zumal immer wieder große Alande oder Güstern, Döbel oder noch ganz andere Arten für Abwechslung und Kurzweil sorgen.


Die Aufarbeitung eines nächtlichen Stellnetzhols ist meist eine schleimige Angelegenheit. 50er Brassen gibt es in wahren Massen auf unserer Strecke. 

Wenig junge BraGüs

Die jungen Brassen und Güstern, die wir manchmal etwas scherzhaft wegen ihrer schweren Unterscheidung als BraGüs zusammenfassen, fanden wir auffällig selten in den Fängen. Die Gründe können ganz unterschiedlich sein, so Rüdiger Neukamm: „Es kann sein, dass der Jahrgang fast ausfällt oder dass sie einfach 40 Kilometer weiter oben stehen. Beides gleich denkbar, die Elbe ist ne Wunderkiste. Dafür gab es aber unglaublich viele Tiere der älteren Jahrgänge. Hier machen wir uns also keine Sorgen, selbst wenn mal ein Nachwuchsjahrgang ausfällt.“

Alles in Butter beim Aland


Die größeren Elb-Alande besitzen einen beeindruckend kompakten Körperbau. Fische von etwas über 40 Zentimetern wogen bereits nah an 1,5 Kilogramm! Vermutlich nutzen sie die großen Mengen von Brut- und Jungfisch sowie Garnelen.

Beim Aland hingehen lagen die Fänge im erwartbaren Rahmen. Hier gibt es ebenfalls einen sehr soliden Bestand. Ein wenig auffällig waren die vielen größeren Exemplare und vor allem ihr unglaublicher Ernährungszustand, die Fische zwischen 35 und 45 Zentimeter wirkten beinahe adipös. Offensichtlich finden sie in Jungfisch, Garnele und aquatischen Insekten eine Fülle an Nahrung. Noch größere Exemplare haben wir gesehen, sie lassen sich aber ebenfalls nur schlecht mit unseren Methoden fangen. Sicherlich runden diese starken Alande die interessante Friedfischangelei auf unserer Elbstrecke mehr als ab!

Massenfische: Ukelei und Schwarzmundgrundel


Das nächtliche E-Fischen brachte Massen von Weißfisch, vor allem in den flachsten Buhnenbereichen. 

In diesem Jahr dominierten zwei Arten klar: Schwarzmundgrundel und Ukelei. Da die beiden wichtige und verlässliche Beutefische für Zander und Rapfen sind, dürften sich die beiden Räuber über dieses Ergebnis freuen. Während die Grundel Jahr für Jahr in großen Mengen vorkommt, schwankt der Bestand der Ukelei auf unserer Strecke enorm. Wahrscheinlich sind die oberflächenaktiven Fische sehr mobil in der Elbe und wandern weit umher. Da sie beim Fressen und Springen an der Oberfläche recht leicht zu entdecken sind, weisen sie zuverlässig den Weg zu guter Raubfischangelei.


Die Schwarzmundgrundel war knapp die häufigste Fischart und an allen Stationen vertreten – teilweise jedoch nur mit wenigen Exemplaren, an anderen waren es hunderte.

Hecht, Zander, Rapfen, Barsch

Über Raubfische muss man sich an unserer Elbe keine Sorgen machen – das zeigten vor allem ein solider Zanderfang und ein enormes Rapfenaufkommen.

Rapfen in Massen


Kleine Rapfen gab es zu Hunderten. Bedenkt man, dass die größeren mit Strom kaum fangbar sind, bekommt man einen ungefähren Eindruck von der Masse dieses Raubfisches. 

„Rapfen war sehr stark. Wahrscheinlich ist es der Raubfisch mit mehr Biomasse als alle anderen Prädatoren zusammen!“, so unsere Biologen. Dabei können wir, wie beim Döbel, eigentlich nur die kleinen Exemplare nachweisen. Doch dass die Großen da sind, zeigten sie mit beständigen Raubszenen und einigen Fänge im Stellnetz. Spinnfischer dürften mit kleinen, schnell geführten Gummis oder oberflächennah laufenden Wobblern mit den Rapfen, aber auch Alanden und Döbeln hier eine Menge zu tun und Spaß haben.

Guter Zanderbestand


Neben Jungzandern und einigen mittleren Exemplaren kamen auch die ganz großen zum Vorschein. Insgesamt sind Großzander über 80 Zentimeter auf unserer Strecke relativ häufig – das zeigen vor allem die Anglerfänge. 

Die Zanderfänge waren, wie wir sie erwartet hatten. Wir fingen einige große Zander, hatten eine gute Altersverteilung mit allen Größenklassen und eine gute Stückzahl. Besonders bei der nächtlichen Stellnetzbefischung nahe an der Steinschüttung kamen die größeren Exemplare zum Vorschein. Vor allem die Prallseite der Buhnen (und hier der innere Bereich) scheinen hier besonders von den Jägern aufgesucht zu werden – das sollten sich die Zanderangler merken.

Keine Wolgazander

Trotz gezielter Versuche konnten wir keinen einzigen Wolgazander nachweisen. Rüdiger Neukamm dazu: „Wir wissen eigentlich, dass die auf der Strecke unterwegs sind. Offenbar sind es aber noch nicht sehr viele. Vielleicht hören wir ja etwas von unseren Anglern.“ Daher unsere Bitte an alle Angler, die mit Gummi unterwegs sind: Wenn ihr einen komisch aussehenden Zander (externer Link öffnet ein pdf) in den Händen haltet, bitte genau hinschauen. Im Zweifelsfall ein Foto machen und uns schicken oder den Fang über die App der Kollegen vom Anglerverband Niedersachse (externer Link) melden. Wir brauchen jeden Hinweis, was die Ausbreitung dieser neuen Art angeht!


Wolgazander: ihn konnten wir nicht nachweisen, doch wir wissen, dass er da ist. Wenn ihr einen Zander mit sehr deutlichen, großen Streifen, beschuppten Kiemendeckeln und fehlenden „Hundszähnen“ (Eckzähnen) fangt, meldet den Fisch bitte! Foto: Matthias Emmrich / AVN

Massenhaft Barsche

Obwohl die Stromelbe nun wirklich nicht besonders bekannt für gute Barschfänge ist, weisen unsere Biologen immer wieder große Mengen von Barschen nach. Wo die größeren Exemplare bleiben oder ob es sie überhaupt in größerer Menge gibt, ist nicht ganz klar.

Wenig Krabben, viele Garnelen


Wenig – und wenn, dann groß! Die Wollhandkrabbe hat im Bestand auf der Strecke offenbar abgebaut. 

Besonders auf den oberen Strecken, um Lauenburg und östlich davon, sahen wir sehr wenige Wollhandkrabben. Ein ortsansässiger Angler, der offensichtlich genau wusste, was er tat, suchte mit der Taschenlampe ufernah nach frischen gehäuteten Krabben für die Aalangelei. Auch er bestätigte uns das Fehlen der Wollhandkrabbe. „Das ist der beste Köder hier, aber so wenige hatten wir noch nie.“ Um die Ernährung der Aale muss man sich dennoch keine Sorgen machen, denn was an Wollhandkrabben fehlte, machten die Massen an Garnelen mehr als wett. Noch nie haben wir so viele Garnelen gesehen. Selbst an den am weitesten flussaufwärts gelegenen Plätzen gab es große Mengen. Die Aale wissen die kleinen Krustentiere, die sie netterweise auch noch in den Lücken der Steinpackung besuchen kommen, sehr zu schätzen – das sahen wir auch an ihren Ausscheidungen.

Dynamische Elbe


Kleine Ukelei gab es in schieren Massen. Dieser perfekte Beutefisch dürfte viele Raubfische auf unsere Strecke locken. 


Die häufigsten Fischarten unserer 2022er Befischung. Seltsam: obwohl es offensichtlich viel Barsche gibt, werden sie kaum beangelt oder gefangen. 

Aal sogar bei Biomasse vorn

Es hat sich wieder mal gezeigt, dass die Elbe ein hochdynamisches Gewässer ist. Fast jedes Jahr sind andere Fischarten dominierend. In diesem Jahr waren Ukelei und Schwarzmundgrundel die häufigsten Fischarten, gefolgt von Aal (!) und Flussbarsch. Es gab schon Jahre, in denen junge Rapfen und Alande, Brassen und Güstern, Schwarzmundgrundeln oder auch junge Barsche die häufigsten Arten waren. In Seen findet man solche Schwankungen bei den Massenfischen eher selten.


Nach so mancher Station hatte Rüdiger Neukamm schwer am Aalfang zu schleppen. 


Beeindruckend: Beinahe hätte die Aale das höchste Gesamtgewicht unseres Fanges erreicht. Natürlich muss man bedenken, dass wir immer nur einen gewissen Teil der Fische  fangen, viele entkommen Strom und Netz!

Was die Gesamtmasse der Fänge angeht, waren Brassen und Aal in unseren Fängen überraschend dicht beisammen und erreichten weit höhere Biomasse als alle anderen Arten. Natürlich muss man dabei bedenken, dass wir mit unserer ufernahen E-Fischerei und mit den nächtlichen Stellnetzen beide Arten auch recht gut nachweisen können. Erst mit einigem Abstand folgen Aland, Zander (!) und Güster.

Artenreichtum


In sandigen, ruhigeren Buhnen gab es stellenweise erfreulich viele Bitterlinge.

Insgesamt ist die Artenvielfalt der Elbe von Jahr zu Jahr ähnlich, auch wenn die Anteile einzelner Arten stark schwanken. In diesem Jahr kamen wir auf 26 Fischarten, häufig fingen wir bei einem Durchgang 20 Fischarten in einer Buhne. Auch seltene Arten wie Bitterling, Steinbeißer oder Stromgründling fanden wir – wenn auch in teilweise geringen Stückzahlen. Zährte und Zope fingen wir nur als Einzelexemplare, ähnlich wie in den vorangegangenen Jahren.

Bei der Betrachtung der Fangmengen muss natürlich berücksichtigt werden, dass wir nie alle Fische erwischen. Insbesondere, wenn es richtig viel Fisch gibt, ist es unmöglich, alle zu fangen. Das ließ sich bei der E-Fischerei gut beobachten: Unzählige Aale, besonders die großen, entkamen mit einer kräftigen Schwimmbewegung unters Boot. Zudem wird nur der ufernahe Bereich abgefischt. Was am Fuße der Steinpackung lauert, können wir nur erahnen. Es kann also fest davon ausgegangen werden, dass zum Beispiel die tatsächliche Dichte des Aalbestandes noch sehr viel größer ist. Ebenso lassen sich viele Fischarten kaum mit Strom fangen. Zander, Rapfen, Döbel, Karpfen – allgemein sind viele schwimmstarke, größere Fische schlecht nachzuweisen. Doch das haben unsere Profis natürlich bei der Beurteilung des Gewässers im Hinterkopf.

Wir sind jedenfalls mit der diesjährigen Befischung und den Ergebnissen zufrieden – wissen wir doch, dass es der Elbe weiterhin gut geht und vor allem, dass unser Aalbesatz hier auf fruchtbaren Boden fällt!


Bei aller Arbeit macht die Elb-Befischung unseren Biologen auch viel Spaß. Sowohl die besondere Stimmung, die einmalige Umgebung als auch der Artenreichtum und die großen Exemplare machen den Termin an der Elbe zum Highlight.