Vom 12.09 bis zum 16.09 fand die diesjährige Fischbestandserhebung in dem vom LSFV Schleswig-Holstein gemeinsam mit dem Anglerverband Niedersachsen und der Fischerei Panz gepachteten Elbabschnitt oberhalb von Hamburg statt. Etwas erschwert wurden die Arbeiten von dem sehr niedrigen Wasserstand und den für September ungewöhnlich hohen Temperaturen von bis zu 30°C in der Luft und über 23°C im Wasser. Dem geschuldet wurden die Elektro- und Stellnetzbefischungen in den frühen Morgenstunden oder am Abend und in der Nacht durchgeführt.
Insgesamt wurden mit 5.389 Individuen weniger Fische als sonst üblich gefangen, dafür waren aber einige Besonderheiten darunter (Tabelle 1). So zum Beispiel ein 93 cm langer Zander mit einem Gewicht von fast 17 Pfund, der oberhalb von Lauenburg am Nordufer direkt unterhalb eines Buhnenkopfes stand (Abbildung 1). Bemerkenswert ist auch der Fang von zwei großen Rapfen, derer man ansonsten nur schwer mit Elektrofischfanggeräten habhaft wird. Der Rapfenbestand der Elbe scheint generell zurzeit in einem sehr guten Zustand zu sein. Die größeren Tiere hörte und sah man in nahezu jedem Buhnenfeld beim Jagen der ebenfalls zahlreich vorhandenen Ukelei. Ein Beleg für die überdurchschnittlich erfolgreiche Reproduktion des Rapfens waren die zahlreich gefangenen einsömmerigen Jungfische.
Eines der erfreulichen Ergebnisse ist die offenkundig wieder zunehmende Bestandsdichte des Aals. Seit 2013, als bei gleichem Fischereiaufwand nur 279 Tiere gefangen wurden, ist die Anzahl der erfassten Aale kontinuierlich gestiegen. In 2016 konnten 505 Tiere nachgewiesen werden, die Bestandsdichte hat sich also nahezu verdoppelt. Die Ursache hierfür liegt sehr wahrscheinlich im Besatz, der im betrachteten Zeitraum erheblich intensiviert worden ist. Allein in diesem Jahr wurden von den drei Pächtern Glasaale und vorgestreckte Aale im Wert von fast 30.000 € ausgesetzt. Ein Großteil der Summe stammt aus Fördermitteln der Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein, der EU und vom Energieversorger Vattenfall als Ausgleich für den Betrieb des Pumpspeicherwerkes in Geesthacht.
Das Längenspektrum der Aale hat sich stark verändert. Im Fang dominierten kleine Tiere mit Körperlängen zwischen 7 und 35 cm. Große Aale wurden nur in vergleichsweise geringer Anzahl gefangen. Außerordentlich hoch war die Bestandsdichte (auch an größeren Tieren) im Geesthachter Schleusenkanal. Wer gerne auf Aal angelt hat dort sicherlich sehr gute Erfolgsaussichten.
Die Zusammensetzung der Fischartengemeinschaft in der Elbe wird sich in den kommenden Jahren vermutlich drastisch verändern. Der Grund dafür ist, wie in vielen anderen deutschen Binnengewässern auch, die Zuwanderung und Ausbreitung von nicht heimischen Grundelarten. Überraschend kommt dies nicht, sowohl aus der Unterelbe als auch aus den Nebengewässern Elbe-Lübeck-Kanal und Elbe-Seitenkanal liegen schon seit einigen Jahren Nachweise für das Vorkommen der Schwarzmundgrundel vor. Ihr Eintreffen in dem hier behandelten Elbabschnitt oberhalb von Geesthacht war nur eine Frage der Zeit. Die ersten Schwarzmundgrundeln wurden im August 2012 direkt oberhalb der Schleuse in Reusen gefangen. Allerdings handelte es sich stets nur um einzelne Tiere, die auch nur sporadisch anzutreffen waren. Trotz intensiver Elektrobefischungen in den folgenden Jahren gelang der Fang dort nicht. Auch in den Kontrolleinrichtungen der Fischtreppe Nord waren bis Ende 2015 keine Grundeln verzeichnet worden. Im Lauenburger Hafen allerdings wurde bei der letztjährigen Bestandserhebung ein einzelnes Tier nachgewiesen, das offenkundig über den Elbe-Lübeck-Kanal zugewandert war. Es war also davon auszugehen, dass die Invasion mindestens über zwei Eintrittspfade erfolgen würde. Diese Annahme wird durch die aktuellen Ergebnisse eindrucksvoll bestätigt. Insgesamt wurden 244 Schwarzmundgrundeln gefangen, davon 115 direkt oberhalb der Schleuse Geesthacht und 111 im Kanalhafen direkt unterhalb der Schleuse Lauenburg. Die verbleibenden18 direkt in der Elbe gefangenen Tieren stammten alle aus dem unmittelbar an den Elbe-Lübeck-Kanal anschließenden Bereich.
Das Längenspektrum der Schwarzmundgrundeln reichte von 2 bis 15,5 cm. Die erste umfangreiche Reproduktion scheint also stattgefunden zu haben. Es muss demzufolge wohl resümiert werden, dass die intensive Phase der Ausbreitung begonnen hat und die Zuwanderung nahezu gleichzeitig über die Unterelbe und den Elbe-Lübeck-Kanal erfolgt ist.
In schleswig-holsteinischen Gewässern hat sich die Invasion der Schwarzmundgrundel bisher nicht spürbar negativ auf die Fischbestände ausgewirkt. Im Gegenteil! Im Nord-Ostsee-Kanal hat das Vorkommen der Schwarzmundgrundel nach wissenschaftlichem Kenntnisstand zu einer erhöhten Reproduktion und zu einem deutlich verbesserten Wachstum des Zanders geführt. Dies muss aber im Fall der Elbe nicht zwangsläufig auch so sein. Es liegen hinreichend Belege dafür vor, dass invasive Grundeln die heimische Fauna nachhaltig negativ beeinträchtigen können. Für die Elbe besteht diese also Gefahr durchaus, zumal es nicht bei der Zuwanderung nur der Schwarzmundgrundel bleiben wird. Mit der Kesslergrundel hat sich bereits die zweite Art daran gemacht die Elbe als Lebensraum zu erobern. Erstmals für die Elbe oberhalb von Geesthacht nachgewiesen wurde die Kesslergrundel 2015 durch Mitarbeiter der Universität Hamburg. Ralf Thiel, Leiter der Abteilung Ichthyologie im Centrum für Naturkunde, entdeckte eines der Tiere in einem Aquarium im Biosphaerium Elbtalaue in Bleckede. Auf Nachfrage stellte sich heraus, dass es, wie seinerzeit die Schwarzmundgrundeln, aus Reusenfängen der Fischerei Panz stammte. Weitere Informationen zu diesem bisher nördlichsten Fund der Kesslergrundel werden die Wissenschaftler demnächst in einem Fachmagazin veröffentlichen (Thiel et al.: Most northerly record of bighead goby Ponticola kessleri (Günther, 1861) in the Elbe River, Germany).
Die Kesslergrundel unterscheidet sich von der Schwarzmundgrundel in erster Linie durch den deutlich flacheren und breiteren Kopf (Abbildung 2). Ihr Maul ist auffallend groß und stärker bezahnt. Zudem ist die aus den verwachsenen Brustflossen gebildete Saugscheibe häufig orange-gelblich gefärbt. Der typische schwarze Fleck am Ende der ersten Rückenflosse, der die Schwarzmundgrundel kennzeichnet, fehlt der Kesslergrundel. Hinsichtlich der Lebensweise sind sich beide Arten ähnlich, wobei der Kesslergrundel jedoch nachgesagt wird, bei ihr sei die Neigung sich von jungen Entwicklungsstadien anderer Fischarten zu ernähren intensiver ausgeprägt. Möglicherweise hat sie dadurch ein größeres Verdrängungspotenzial.
Bei der hier beschriebenen Bestandserhebung wurden neun adulte Kesslergrundeln gefangen. Die Verbreitung der Tiere beschränkte sich nach unseren Ergebnissen bisher auf die Blocksteinschüttungen im Schleusenkanal und im Stichkanal oberhalb der Schleuse Geesthacht. In den Bereichen um die Einmündungen des Elbe-Seitenkanals und des Elbe-Lübeck-Kanals gelang kein weiterer Nachweis. Von den gefangenen Kesslergrundeln waren sechs männlich und drei weiblich. Alle machten einen sehr vitalen Eindruck. Es scheint daher sehr wahrscheinlich, dass auch diese Art spätestens im kommenden Jahr mit einer umfangreicheren Reproduktion im betrachteten Elbabschnitt beginnen wird. Welches Ausmaß die neuen Grundelpopulationen langfristig erreichen werden und wie die Wechselwirkungen zwischen den Arten ausfallen werden, ist zurzeit schwer zu prognostizieren. Zunächst kann es nur darum gehen, die weitere Entwicklung durch die Fortführung regelmäßiger Fischbestandserhebungen zu beobachten und zu dokumentieren.
Entlang der Elbe oberhalb von Geesthacht sind viele Flächen als Naturschutz- und/oder FFH-Gebiet ausgewiesen. Zu den besonderen Schutzgütern gehören auch einige Fischarten, wie zum Beispiel Steinbeißer, Weißflossengründling, Rapfen und Flussneunauge. Die regelmäßige Erfassung und Beurteilung der Bestände dieser Arten ist eine weitere Zielsetzung der durchgeführten Befischungen. Auf die positive Bestandsentwicklung des Rapfens wurde eingangs bereits hingewiesen. Aber auch Steinbeißer und Weissflossengründling haben offenkundig von den niedrigen Wasserständen und den warmen Temperaturen profitiert. Von beiden Arten wurden jeweils mehr Individuen als sonst üblich gefangen. Aus den Längenspektren geht hervor, dass mehrere Altersklassen vorhanden sind und die Tiere in diesem Jahr erfolgreich im Gewässerabschnitt reproduziert haben. Damit sind wesentliche Kriterien für einen sogenannten „guten Erhaltungszustand“ im Sinne der FFH-Richtlinie erfüllt. Eine Beurteilung des Flussneunaugenbestandes anhand der vorliegenden Daten ist kaum möglich. Dafür sind die Fänge an Querdern und Adulten insgesamt zu gering. Sehr viel aussagekräftiger sind hierzu die Daten aus den beiden Fischaufstiegsanlagen am Wehr Geesthacht, die auch entsprechende Verwendung finden. Dort gehört das Flussneunauge zu den häufigsten Aufsteigern.
Bemerkenswert war in diesem Jahr das weitgehende Fehlen von Hechten im Fang. Trotz der intensiven Befischung geeigneter Habitate konnten nur 8 Individuen aus dem schmalen Längenspektrum von 27,5 bis 32,5 cm gefangen werden. Sehr wahrscheinlich handelte es sich ausschließlich um zweisömmerige Tiere. Dass überhaupt kein einsömmeriger Hecht angetroffen wurde, lässt befürchten, dass die Reproduktion in 2016 sehr gering ausgefallen ist. Erfahrungsgemäß kann der Bestand aber solche Ausfälle relativ gut kompensieren, so dass auch in den kommenden Jahren hinreichend Hechte auf der Strecke vorhanden sein sollten.
Erstmalig im Rahmen unserer Bestandserhebungen konnte eine Flunder gefangen werden. Vor dem Bau des Wehres sind diese Tiere sehr zahlreich in die Mittelelbe aufgestiegen. Nachweislich sind einzelne Flundern bis nach Dresden geschwommen. Mittlerweile ist die Art aber in diesen Teilen der Elbe eher rar geworden. Bedauerlicherweise werden beide Fischpässe nicht gut von den Flundern angenommen. Die wenigen Tiere, die von Anglern und Berufsfischern oberhalb von Geesthacht gefangen werden, sind vermutlich ebenso wie die Grundeln über den Schleusenkanal aufgestiegen.