Vor wenigen Tagen haben wir unseren jährlichen Glasaalbesatz quer durchs Land durchgeführt. 990.000 der jungen, noch transparenten Fische wurden in den Gewässersystemen des NOK und ELK, der Trave, Elbe, und vielen weiteren Gewässern ausgesetzt. Finanziert wird der Aalbesatz durch EU-Mittel sowie die Fischereiabgabe und Eigenanteile aus der Angelei und Fischerei.

Sehr viele Glasaale wimmeln im flachen Wasser zwischen bewachsenen Steinen hrum.
Zack und weg: Im einen Moment zappeln noch zehntausend Fischleiber, im nächsten sind sie wie vom Untergrund verschluckt.

Die Qualität der aus Frankreich gelieferten Glasaale war wie im Vorjahr hervorragend. Die Agilität der im Schnitt nur 0,3 Gramm schweren Fische ist beachtlich. Schon Sekunden nach dem Besatz sind die Winzlinge im Lückensystem des Nord-Ostsee-Kanals oder dem Schilfdickicht des Westensees verschwunden.

LSFV-Biologe Rüdiger Neukamm setzt eine große Menge Glasaale nahe an einer Fähre aus.
Der Nord-Ostsee-Kanal wird seit Beginn des Glasaalbesatzes mit großen Mengen besetzt. Dieses Bild aus dem Vorjahr zeigt, wie LSFV-Biologe Rüdiger Neukamm 3 Kilogramm der jungen Aale aussetzt.

Warum überhaupt Besatz?

Es gibt nicht wenige Stimmen, die fordern, die Aale doch einfach dort zu belassen, wo sie natürlicherweise ankommen und für den Besatz gefangen werden.

Es gibt jedoch gute Gründe, die für einen Besatz in anderen Regionen sprechen:

  • Optimierter Fang und Transport führt zu sehr geringen Ausfällen bei den Satzaalen. In den letzten Jahren ist die Sterblichkeit vom Fang bis zum Besatz von durchschnittlich 42 Prozent auf 7,2 Prozent gesunken.
  • Ohne Aalbesatz gäbe es kaum noch Aal in unseren Gewässern. Zahlreiche Untersuchungen – auch unsere eigenen – zeigen, dass der Besatz mit Aal funktioniert und bis zu über 95 Prozent unseres Aalbestandes auf Besatz beruht.
  • Der Aal erfüllt in unseren Gewässern ökologische Funktionen. Beispielsweise ist keine andere Art derart darauf spezialisiert, im Lückenraum zwischen Steinen Beute zu machen. Hier halten Aale unter anderem invasive Arten wie Schwarzmundgrundel und invasive Krebsarten in Schach.
Ein häufiges Bild bei unseren Bestandsuntersuchungen: Aale, Schwarzmundgrundel und Kamberkrebs nutzen den gleichen Lebensraum. Und der Aal nutzt die beiden „Aliens“.
  • Durch das Verbringen der Aale kann Risiko gestreut werden. Kommt es zum Beispiel in einer Glasaal-Ankunftsregion Frankreichs oder Spaniens zu einer schweren Umweltkatastrophe, könnten große Teile des dortigen Aalbestandes verschwinden. Große Bestände weitab dieser Massen-Ankunftsgebiete können daher wie eine Versicherung für die Blankaal-Abwanderung wirken.
  • Die natürlichen Ankunftsgewässer sind alles andere als optimale Aal-Lebensräume. Unser Glasaal stammt aus dem Mündungsbereich der Gironde in Frankreich. Wären sie nicht als Besatzmaterial gefangen worden, wären diese Fische höchstwahrscheinlich in die Flüsse Garonne und Dordogne aufgestiegen. Im Gewässersystem befinden sich viele Wasserkraftwerke und zwei Atomkraftwerke mit Kühlwasserentnahmen, die Massen von Jungaalen ansaugen und töten. In Teilen von Dordogne und Garonne wurde im Jahr 2011 der Aalfang mit anschließendem Verzehr aufgrund einer Belastung mit PCB verboten. Als wäre dies noch nicht genug, verursacht dort ein extrem angewachsener Bestand an Welsen hohe Verluste bei den Aalen in allen Lebensstadien. In Frankreich wurden Sterblichkeiten bis über 80 Prozent innerhalb der ersten Lebenswochen bei ankommenden Glasaalen festgestellt. Die Frage, ob die Aale nicht etwa im Nord-Ostsee-Kanal besser aufgehoben sind und mehr zum Bestandserhalt beitragen können, drängt sich geradezu auf.
Eine Person kniet auf einem Steg an der Trave in Lübeck und lässt eine große Menge Glasaale ins Wasser gleiten.
Auch die Trave bekam einen guten Teil der Glasaale ab. Andreas Weber vom KSFV Lübeck besetzte gemeinsam mit seinen Kollegen vom Ufer sowie vom Boot aus.

Ebenfalls nicht zu vernachlässigen ist, dass der Aal eine hohe Bedeutung für die Fischerei und die Angler in unserer Region hat. Würde diese Fischart durch ausbleibenden Besatz fast gänzlich verschwinden, würden etliche Fischereibetriebe schließen müssen. Ohne Aal würde auch der Angelei im Norden eine der wichtigsten Fischarten fehlen – die Selbstversorgung mit geangeltem Aal hat Tradition und verbindet eine erholsame Passion mit sinnvollem, nachhaltigem Nahrungserwerb. Auch der europäische „Green Deal“ fordert genau solche Formen der Lebensmittelbeschaffung.

Glasaalbesatz in Schleswig-Holstein trägt Früchte

Damit wir auch weiterhin gute Aalbestände im Norden haben, kommen wir im Moment um den Besatz nicht herum. Dabei hat der Aalbesatz in den letzten Jahren zu einer sehr stetigen und soliden Bestandszunahme geführt. Auch die Fischereibehörden im Norden erkennen diese positive Entwicklung und wollen an der bisherigen Besatzstrategie festhalten. Ziel ist es, in einigen Jahren eine Abwanderung von 40 Prozent der ausgewachsenen Aale aus den Binnengewässern in Richtung ihrer Laichgebiete zu ermöglichen – angesichts des aktuellen Trends könnte dieses Ziel schon in wenigen Jahren erreicht werden.

Die Grafik zeigt einen stetigen Ansteig der Aalfänge in der Elbe seit Beginn der Aufzeichnungen 2009. 2022 wurde die bisher größte Menge Aal gefangen.
Die Fänge unserer Elb-Befischungen stehen stellvertretend für den Trend des Aalbestandes im Land: es geht bergauf! Auch der Glasaalbesatz in Schleswig-Holstein trägt zu dieser positiven Entwicklung bei.

Wir wünschen unseren ausgesetzten Glasaalen jedenfalls, dass viele von ihnen in ungefähr zehn Jahren ihren Weg in ihre immer noch unbekannten Laichgewässer finden. Und wenn in der Zwischenzeit der eine oder andere von ihnen an eine Angel unserer Angler geht, dann hat auch er eine wichtige Funktion erfüllt.

Ein sehr kleiner Aal von weniger als 20 Zentimetern liegt auf dem Messerbrett.
Bald schon sehen sie so aus: Die kleinen Aale wachsen rasch heran und gehen gut versteckt vielen Räubern aus dem Weg. In rund zehn Jahren werden sie als Blankaal ihre mysteriöse Reise antreten.