Die Angst war groß vor diesem Herbst. Würde der weiter angewachsene Fischotterbestand im Land einen negativen Einfluss auf die Laichfische haben? Würden wir überhaupt genug Fisch zusammen bekommen, um die Bruthäuser zu füllen? Schreckensbilder aus anderen Gegenden Deutschlands und Österreichs, in denen die Großsalmonidenbestände regelrecht zusammengebrochen waren, sorgten für reichlich Anspannung.

Zwei Laichfischfänger der ARGE Stör stehen im Boot und ein dicker Fisch zappelt in den Maschen eines Keschers.
Schon die erste Befischung an der Stör zeigte, dass der Fischotter in 2022 zumindest keinen vernichtenden Einfluss auf den Meerforellenbestand hatte. Hier zappelt ein Forellenbock von über 80 Zentimeter im Kescher.

Kein Otter-Armageddon

Die Entwarnung kam an den meisten Gewässern schnell. Der von manchen befürchtete Bestandszusammenbruch ist ausgeblieben. Die Fänge der ersten Befischungen waren überwiegend gut. Im Stör-System beispielsweise konnten schon bei den ersten Durchgängen so viele Forellen gefangen werden, dass unser ARGE-Bruthaus in Aukrug bereits gut mit Elterntieren besetzt war.

Eine Forelle wird vorsichtig in eine Tragetasche geworfen.
Ein Forellen-Weibchen wir „verladen“. Diese Größe war in 2022 bei den Störfischen schon eher unterer Durchschnitt.

Natürlich wurden auch die übrigen Gewässer des Fischhorizonte-Programms befischt. Die ansässigen Vereine leisteten teilweise selbst diese Arbeit. Wo kein Verein zuständig ist oder die Manpower fehlte, fischte Kilian Lauff von der Fischbrutanstalt Altmühlendorf der Binnenfischer und Teichwirte.

Kilian Lauff sitzt auf einen kleinen Motorboot, er hält einen Schnäpel in der Hand.
Kilian Lauff war in der vergangenen Saison jeden Tag unter der Woche unterwegs im Land. Wahrscheinblich hat niemand einen so guten Einblick in die Bestände der Wandersalmoniden in S-H.

Fünfmal die Woche Laichfischfang

Um alle benötigten Fische aus allen Gewässersystemen zu bekommen, ist viel Aufwand nötig. Kilian fischt von Mitte Oktober bis Mitte Dezember an fünf Tagen in der Woche. Man kann wohl sagen, dass kaum jemand einen so guten Eindruck von den Forellenbeständen im Land hat. Grund genug, ihn ein bisschen von der 2022er Saison erzählen zu lassen.

Eine größere Forelle mit einer Bissverletzung am Bauch ist zu sehen.
Kilian hatte natürlich auch einen Blick auf den Gesundheitszustand der Fische. Dieser ist mit dem Leben aus einem Gerangel mit einem Seehund davongekommen. Foto: Kilian Lauff

„Dieses Jahr war besonders. Wir haben bei 20° im T-Shirt gefischt und laichreife Forellen gefangen. Gerade zu Beginn hatten wir großes Glück und konnten die Aufsteiger-Trupps fangen. Das lief richtig gut.“ Kilian berichtet jedoch von einem echten Problem der Laichfischfangsaison 2022, das auch gleichzeitig der Grund für die guten Fänge zu Beginn der Saison war.

Zu geringe Wasserstände sorgten in vielen Gewässern dafür, dass die Fische vor Hindernissen in den Unterläufen gehäuft standen. Dort ließen sie sich einfach „einsammeln“. Ohne den Laichfischfang und Besatz wäre dieses Jahr ein sehr schlechtes für die Forellen im Land gewesen.

Viel zu wenig Wasser

„Wir hatten gar kein Wasser. Den ganzen Herbst hindurch haben die großen Regenfälle gefehlt. Die Fische standen in den Unterläufen, unterhalb der ersten Schwellen und haben gewartet. All die Laichplätze in den oberen Bereichen sind gar nicht angenommen, da fehlt einfach Wasser. An vielen Gewässern liegen die Kiesbetten trocken!“

Drei Laichfischfänger waten durch sehr seichtes Wasser. Der Grund ist überall deutlich zu sehen.
Wenig Wasser sorgte für fast forellenfreie Oberläufe an vielen Gewässern im Land. Auch hier an der Gieselau erwischte unser Biologe Mattias Hempel bei ersten Durchgang nur Bachforellen.

An der Trave zum Beispiel waren kleine Nebengewässer, die sonst gute Laichplätze bieten, selbst Mitte November komplett trocken. „Wir haben an den meisten Gewässern auf den Laichplätzen gar keine Fische gefangen, das ist ne Katastrophe! Selbst wenn jetzt noch mal richtig Niederschlag kommt, wird so viel Feinsediment aus den Drainagen eingebracht, dass sich das Lückensystem sofort zusetzt.“

Ein klarer Bach mit Kiesgrund ist zu sehen, über dem Kies schwimmen junge Forellen und Lachse.
Sauberer Kiesgrund mit gut durchlüftetem Lückensystem ist die Voraussetzung für eine funktionierende Reproduktion der Salmoniden.

Kieslaicher wie die Forelle sind auf ein intaktes Kiesbett mit durchlüftetem Sediment angewiesen, andernfalls sterben die Eier aufgrund von Sauerstoffmangel ab. Zum Glück für die Meerforellen und Lachse im Land werden ihre Bestände durch die Bruthäuser gestützt.

Bruthäuser sichern Fortbestand

Ohne diese Reserve können schlechte Jahre wie 2022 mit fehlenden Niederschlägen zu einem massiven Bestandseinbruch führen. Die künstlich erbrüteten Forellen sichern daher den Fortbestand und gleichen natürliche Schwankungen und vor allem durch Gewässerverbauung fehlende Laich- und Jungfischhabitate aus.

Junge Lachse werden aus einem Eimer in die Freiheit entlassen.
Ohne Besatz würden die wenigen Laichplätze nur eine sehr kleine Lachs- und Forellen-Population in Schleswig-Holstein hervorbringen. Besatz kompensiert fehlenden Strukturreichtum durch Verbauung und sichert so den Fortbestand der Salmoniden.

Da der Lachs zum Laichen Kiesbänke in den Mittelläufen benötigt, hat er es noch schwerer in Schleswig-Holstein. Es gibt schlicht kaum geeignete Strukturen in unseren Flüssen – ohne Besatzunterstützung hätten wir mit hoher Wahrscheinlichkeit gar keinen Lachs mehr im Land.

Kein Lachs ohne Besatz

Besonders erfreulich ist es daher, wenn Lachse beim Laichfischfang zum Vorschein kommen. Die Trave, die Treene und die Stör haben auch in dieser Saison wieder einige gute Lachse zum Vorschein gebracht. In der Zukunft sollen nun endlich auch in Schleswig-Holstein Lebensraumverbesserungen für den Lachs umgesetzt werden. Bis es soweit ist, bleibt er allerdings von unserer Unterstützung abhängig.

Ein Laichfischfänger hält ein großes Lachsweibchen von fast einem Meter Länge in den Händen.
Große Lachsweibchen sind für die Arterhaltung besonders wertvoll. So ein Exemplar kann 8000 Eier hervorbringen.

Auch die meerwandernden Coregonen, die Schnäpel, werden durch Besatz unterstützt. Um die Elterntiere zu fangen, waren wir selbst auf dem Flemhuder See unterwegs und konnten einige schöne Exemplare bis 68 Zentimeter fangen. Kilian fischte etliche Durchgänge an der Treene, fing dabei aber weniger Fische als in den Vorjahren.

Ein schöner Schnäpel-Milchner von ungefähr 50 Zentimetern liegt in den Händen eines Laichfischfängers.
Auch Schnäpel werden für die künstliche Vermehrung gefangen. Dieses Exemplar wurde beim letzten Fischen des Jahres in der Treene gefangen.

Der Otter hat sicherlich einen Einfluss auf Fischbestände. Auch Meerforellen werden den vermehrten Druck des nächsten Fischräubers zu spüren bekommen. Kilian ist auch Otter-Beauftragter des Landes und dokumentiert seinen Einfluss.

Fischotter-Einfluss ist spürbar

„Was richtig auffällig ist, dass die männlichen Meerforellen fehlen. Die Fische, die sonst schon Wochen vor den Weibchen in die Oberläufe zeihen und Reviere an den Laichplätzen einnehmen. Diese Fische fehlten fast völlig. In vielen kleineren Gewässern haben wir nur kleine Männchen gefangen, die noch weit unten standen und noch fast blank waren. Da hat sich was verändert.“

Die typischen Standplätze der schon früh aufsteigenden Meerforellen-Böcke waren fast überall verwaist. Die lange im Fluss bleibenden Fische fallen sicherlich oft Ottern zum Opfer.

Kilian erhielt aus verschiedenen Landesteilen Fotos von verletzten oder toten Meerforellen, die offensichtlich von Ottern gefangen worden waren. Auch Aufnahmen von Wildkameras dokumentieren, dass Otter gezielt die Laichplätze der Forellen aufsuchen und dort Beute machen. Das Spannungsfeld Fischotter und Meerforelle müssen wir im Blick behalten und gegebenenfalls das Management der Meerforelle durch weitere Lebensraumverbesserung und vielleicht sogar intensivierte Besatz anpassen. Doch die große Katastrophe ist zum Glück nicht eingetreten.

Positives Fazit

Die Laichfischfänger auf der Stör haben gut zu tun, in beiden Keschern zappeln Forellen.
Die Saison verlief unterm Strich gut. Sicherlich wurden in einigen Gewässer zu wenige Fische gefangen, dafür lieferten andere sehr gute Fänge. Das Stör-System brachte viele und vor allem große Forellen.

Auch Hartwig Hahn von der ARGE Stör Bramau zieht ein positives Resümee. „Unsere Brutschränke sind voll, wir haben schon mit den ersten drei Befischungen reichlich Forellen bekommen.“ Auffällig und erfreulich war dabei die Durchschnittsgröße der Stör-Meerforellen, viele Fische über 70 Zentimeter konnten gestreift werden.

Nach dem Laichfischfang ist die Arbeit noch lange nicht getan. Jetzt folgt die nicht weniger aufwendige und sehr sensible Phase der Ei-Reifung, des Schlupfes und des Aufziehens der jungen Salmoniden.

Hartwig Hahn: „So viele große Weibchen hatten wir schon länger nicht. Und bei den Männchen haben wir ja sogar einige Fische deutlich über 80 Zentimeter gleich wieder schwimmen lassen. Und auch vier große Lachs-Weibchen hatten wir – alle konnten wir streifen. Damit können wir weiter für die Stör-Lachse arbeiten.“ Jetzt warten die die Meerforellen-Freunde im Land auf die schlüpfenden Brütlinge, damit sich in 2023 mit dem Aussetzen der Jungfische der Kreislauf wieder schließt.

Mit dem Aussetzen aufgezogenen Jungfische endet die Arbeit der unzähligen ehrenamtlichen Helfer – und der Abschnitt des Salmoniden-Lebens, auf das wir einen direkten Einfluss haben. Von jetzt an sind die kleinen Wanderer auf sich selbst gestellt und uns bleibt nur, ihnen die Daumen für eine gesunde Rückkehr zu drücken.