Die kleinen Fische in der Plastiktüte sehen ein wenig aus wie Mini-Welse. Doch der Geoökologe Dr. Mattias Hempel ist im Auftrag des Artenschutzes für den Landessportfischerverband und das Land Schleswig-Holstein unterwegs. In seiner Hand: ein Beutel mit jungen Schlammpeitzgern.

Von diesem Fisch mit dem lustigen Namen hat jeder Angler genau einmal gehört – bei der Prüfung zum Fischereischein. Sonst begegnet er der Art eigentlich nie. Das hat zwei Gründe: Erstens bewohnt der unauffällige Fisch meist flache, schlammige, eher kleine und damit für Angler uninteressante Gewässer. Zweitens ist er selten, sogar so selten, dass er in Schleswig-Holstein als stark gefährdet in der Roten Liste aufgeführt wird. Natürlich ist die Fischart daher geschützt, sogar eigens für den Schlammpeitzger eingerichtete Schutzgebiete gibt es. Ursprünglich kam er in Schleswig-Holstein teils häufig in den Fluss-Auen vor. Dort lebte er in kleinen Verlandungsgewässern. Durch Gewässerausbau gibt es diese Art von Lebensraum jedoch kaum noch. Heute gibt es in Schleswig-Holstein leider nur noch kleine, voneinander isoliert lebende Bestände des Schlammpeitzgers. Der Schutz allein wird der Fischart kaum helfen, dem arg gebeutelten Bestand muss mit Besatz ein wenig auf die Sprünge geholfen werden.

An der Haaler Au

Die Fische in der Plastiktüte sind somit auch kleine Hoffnungsträger für das Überleben der Art in Schleswig-Holstein. Damit der Start in die Freiheit möglichst glatt verläuft, hat Mattias viel Zeit aufgewendet um das passende Besatzgewässser und dort die richtigen Plätze zu finden. Zwei Felder und eine kleine Brücke passiert er in brütender Hitze, ehe der richtige Abschnitt des Nebengewässers der Haaler Au erreicht ist. Die Haaler Au-Niederung mit vielen Kleinst-Gräben schien den Fischereibiologen des Landessportfischerverbandes optimal. Hier hat das aus der Fischereiabgabe des Landes geförderte Besatzprogramm vor zwei Jahren begonnen. Statt weit übers Land verteilt verschiedene Gewässer mit den raren Jungfischen zu besetzten, haben sich die Verbandsbiologen dazu entschlossen, einzelne Gewässersysteme intensiver über ein paar Jahre in Folge zu besetzen. Dazu werden an verschiedenen Punkten des Gewässers hunderte Brütlinge ausgesetzt. Nach ein paar Jahren wird die erste Erfolgskontrolle durchgeführt. Wenn sich der Besatz etabliert und sich ein Bestand aufgebaut hat, wird das nächste Gewässersystem besetzt. So soll im Laufe der nächsten Jahrzehnte der Schlammpeitzger zumindest die Chance bekommen, in viele der geeigneten Gewässer im Lande zurückzukehren.

Vor dem Besatz

Bevor Mattias allerdings das erste Mal überhaupt junge Schlammpeitzger besetzten konnte, brauchte er natürlich erstmal Besatzmaterial, sprich Fische. Da es nicht um eine beliebte Fischart wie Karpfen oder Forelle geht, konnte der Landesverband nicht einfach Besatzfische bei dem nächsten Fischzüchter bestellen. Eigeninitiative war gefordert – doch wie vermehrt man Schlammpeitzger? Von einem Fischzüchter in Dänemark bekam der Landesverband ein paar wertvolle Tipps und ging ans Werk. Die Elternfische konnten zum Glück aus dem Gebiet der Eider besorgt werden. Die größtenteils bereits geschlechtsreifen Schlammpeitzger wurden in die Teichanlage des Verbandes in Langwedel gebracht. Dort tastete sich die Verbandsbiologen an die optimalen Bedingungen und die richtige Handhabe für die Vermehrung heran. Nach vier Jahren und vielen neuen Erkenntnissen über die Vermehrung und Aufzucht konnte 2019 das erste Mal in größerem Stil eigener Schlammpeitzger-Nachwuchs besetzt werden. Geholfen haben dabei auch die Erfahrungen von weiteren Projekten zum Schlammpeitzger in Deutschland. In diesem Jahr, 2021, setzte Mattias ungefähr 6000 Brütlinge aus. Als optimaler Besatzzeitpunkt nach dem Schlupf der Brut haben sich etwa drei Wochen herausgestellt. Ein Teil der Fische wird zudem in den Teichen der Verbandsanlage in Langwedel bis zum Herbst vorgestreckt und dann ebenfalls besetzt.

Erste Erfolgskontrolle

Beim Besatz an sich nimmt Mattias alle wichtigen Daten akribisch auf. Obwohl die kleinen Fische zu einer der zähen Arten gehören, will er kein Risiko eingehen und passt unterschiedliche Wassertemperaturen langsam und schonend an. Nach kurzer Zeit entlässt er seine Schützlinge, die sofort quirlig zum Gewässergrund flitzen und schon nach Sekunden unsichtbar sind. Ein wenig unspektakulär ist der Moment, vor allem angesichts der vielen Arbeit, die ihm vorausging. Ob der Einsatz des Verbandes sich auszahlt, ist indes noch unklar. Während der ersten zwei Besatzjahre wurden die Fische sich selbst überlassen – man wollte die Störungen soweit wie möglich reduzieren. In diesem Herbst werden die Besatzgewässer erstmals elektrisch befischt. Wie groß die Spannung bei Mattias und seinen Verbands-Kollegen sein wird, kann man sich denken. Drück wir die Daumen, dass er viele der sympathischen Spezialisten-Fische zu Gesicht bekommt – und natürlich werden wir berichten, was wir wiederfinden!

Auf dem Weg zu eigenem Schlammpeitzger-Besatz: Link