In diesem Frühjahr konnten wir die Schlammpeitzger-Vermehrung mehr als nur fortführen – die Saison 2022 ist bisher ein großer Erfolg!

Unser Geoökologe Dr. Mattias Hempel beschäftigt sich schon seit geraumer Zeit mit dem Schlammpeitzger. Über die Vermehrung und Aufzucht dieser heimlichen Fischart war kaum etwas bekannt. Inzwischen ist Mattias jedoch ein echter Fachmann. In einem Erfahrungsbericht (LINK) erklärt er, wie er vorging und was bedacht werden musste. Durch gutes Timing, eine aufopferungsvolle Hege und die Hilfe unseres LSFV FÖJlers Jonathan Neukamm konnte er in diesem Jahr eine Rekordzahl von Brütlingen heranziehen.

Ein vollgefressener junger Schlammpeitzger, erkennbar am von den Artemien rötlich gefärbten Bauch. Zurückhaltende Kostverächter sind die Jungfische nicht. Selbst direkt nach dem Umsetzen in eine Wasserschüssel für dieses Foto fraßen sie ungehemmt weiter.

Ein vollgefressener junger Schlammpeitzger, erkennbar am von den Artemien rötlich gefärbten Bauch. Zurückhaltende Kostverächter sind die Jungfische nicht.
Selbst direkt nach dem Umsetzen in eine Wasserschüssel für dieses Foto fraßen sie ungehemmt weiter. Foto: LSFV SH

 

Kooperative Schlammpeitzger-Eltern

Dass es ein gutes Jahr für die Schlammpeitzger sein würde, zeigten die Elternfische schon zu Beginn der Laichphase. Die Fische leben bereits seit einigen Jahren in der LSFV-Teichanlage in Langwedel und kommen in den kleinen Erdteichen offensichtlich bestens zurecht. Bei einer ersten Kontrolle der Elterntiere mittels Reuse stellten Mattias und unser FÖJler Jonathan Anfang Mai überrascht fest, dass bereits ein Teil von ihnen in den Teichen abgelaicht hatte. Leider bleibt von dieser natürlichen Brut nie etwas übrig – Schlammpeitzger-Eltern machen sich oft selbst über die abgelegten Eier her, zudem gibt es andere Fische, die die winzige Brut gern fressen. Im Nachbarteich waren die Elternfische zum Glück noch nicht ganz so weit, standen aber auch kurz vor dem Ablaichen. So musste Mattias nur wenige Pärchen in eigens dafür vorbereitete Aquarien setzen und abwarten. Die Fische ließen sich kaum Zeit und laichten bereits kurz danach an den dafür vorgesehenen Laichbürsten ab. Nach wenigen Tagen schlüpften die Larven und Mattias konnte sie in die Brutrinnen im Keller des Häuschens bringen.

Gut befüllte Brutrinnen für Schlammpeitzger. Hier schwimmen 25.000 Brütlinge!

Die Brutrinnen im Keller der LSFV-Anlage in Langwedel: dies war drei Wochen lang die Heimat der heranwachsenden Schlammpeitzger. Foto: LSFV SH

 

Intensive Pflege der Schlammpeitzger

Erst in den Brutrinnen ließ sich nun erahnen, wie viele Jungfische diese Brutsaison hervorbringen würde. Auch wenn sich die Anzahl der Winzlinge recht schwer schätzen lässt, war Mattias sicher, dass es eine deutliche Steigerung zum Vorjahr und allen vorangegangenen Jahren sein würde – wenn nichts schief ginge!

Schlammpeitzger reagieren im Vergleich zu Brütlingen anderer Arten nicht besonders empfindlich auf Wasserparameter wie Sauerstoff, Stickstoff und Temperatur. Dennoch muss wie bei allen Jungfischen mit Argusaugen auf jeden Einfluss geachtet werden. Füttern, tote Fische entfernen, Wasserparameter checken … Mattias und Jonathan waren in den drei Wochen nach dem Schlupf jeden Tag bei ihren Schützlingen.

Makro-Aufnahme von Schlammpeitzger-Brütlingen, die Artemien fressen.

Wie kleine Staubsauger saugen die jungen Schlammpeitzger gierig eine Artemie nach der anderen ein. Die rötliche Färbung des Bauches zeigt, dass sie schon ein paar der Krebstierchen gefressen haben.
Foto: LSFV SH

Recht schnell entwickeln die winzigen Fische einen gesunden Appetit und so mussten sie mehrfach täglich mit Artemien (LINK) gefüttert werden. Die roten Krebstierchen lassen übrigens den Bauch der Fischlarven rot erstrahlen, ein sicheres Zeichen, dass sie gut gefressen haben. Insbesondere die bedarfsgerechte Fütterung erfordert Fingerspitzengfühl und viel Einsatz. Letztlich hat sich dieser Aufwand aber mehr als gelohnt und beide Brutrinnen wimmelten nur so vor Mini-Schlammpeitzgern. Eines war jetzt schon sicher: 2022 ist ein Rekordjahr für das Schlammpeitzger-Projekt.

LSFV-Ökologe Mattias Hempel keschert Schlammpeitzger-Brut aus den Brutrinnen.

Da die Brut nur wenige Millimeter groß ist, muss sie mit Vorsicht gefangen werden. Mattias besitzt die nötige Ruhe und Routine um die flinken Schlammpeitzger schonend zu fangen.
Foto: LSFV SH

Besiedelung durch Besatz

Ungefähr drei Wochen nach dem Schlupf ging es an den Besatz der Fische – denn das ist der Grund für all den Aufwand! Die jungen Schlammpeitzger sollen den Bestand dieser inzwischen sehr selten gewordenen Art bei uns im Norden sichern und möglichst auch aufbauen. Im Bericht zum Schlammpeitzgerbesatz (LINK) des letzten Jahres könnt ihr lesen, warum es überhaupt nötig ist, etwas für diese Fischart zu tun. In aller Kürze: Der Schlammpeitzger hat es nicht leicht. Seinen eigentlichen Lebensraum, allmählich verlandende Altarme, gibt es nicht mehr und der Ausweich-Lebensraum bei uns im Norden sind die flachen Entwässerungsgräben der Niederungen. Dort würde er eigentlich ganz gut zurechtkommen, doch intensive Gewässerunterhaltung bedroht ihn in diesem Gewässertyp vielerorts. Hier und dort gibt es jedoch Graben-Lebensräume, die sich auch heute noch eignen.

So sieht ein Schlammpeitzger-Gewässer aus: viel Deckung, flaches Wasser, geringe Tiefe und wenig andere Fischarten.

So sieht ein gutes Schlammpeitzger-Gewässer aus: viel Deckung, schlammiger Boden, geringe Tiefe und wenig andere Fischarten. Im Bereich der Haaler Au finden sich viele solcher Seitengräben.
Foto: LSFV SH

Guter Lebensraum im Haaler Au-System

Unsere Biologen haben sich für das weitverzweigte Gewässersystem der unteren Haaler Au als Pilotgewässer für den Start des Schlammpeitzger-Projektes entschieden. Hier gibt es eine Vielzahl kleiner Seitengräben, in denen aufgrund hoher Wassertemperaturen und niedriger Sauerstoffgehalte im Sommer nur wenige andere Fische leben. Das ist ideal für den Überlebenskünstler Schlammpeitzger (siehe unten ⇒ Steckbrief Schlammpeitzger), der genau in solchen Lebensräumen gut zurechtkommt. Dabei hilft ihm die Fähigkeit, Sauerstoff aus der Luft zu nutzen. Dadurch hat er einen Vorteil gegenüber den übrigen Fischarten, denen es in den kleinen Gräben tagsüber zu warm und nachts zu sauerstoffarm wird. Das Problem ist, dass diese kleinen Refugien oft recht isoliert voneinander im Land verteilt sind. Deshalb helfen wir dem Schlammpeitzger, an möglichst vielen dieser Orte Fuß zu fassen. Stabile Bestände in diesen Gräben würden auf lange Sicht auch dafür sorgen, dass neue Lebensräume von dort aus besiedelt werden könnten, ohne dass der Mensch helfen müsste.

Über 25.000 Schlammpeitzger

Gezählt, nicht geschätzt!

 

Für die Zählung werden die Brütlinge der Schlammpeitzger in kleine Aquarien gesetzt. Anhand standartisierter Fotos und späterer Auszählung am Computer lässt sich die Menge ziemlich exakt bestimmen.

Für die Zählung werden die Brütlinge der Schlammpeitzger in kleine Aquarien gesetzt. Anhand standardisierter Fotos und späterer Auszählung am Computer lässt sich die Menge ziemlich exakt bestimmen.
Foto: LSFV SH

Vor dem Besatz versucht Mattias einen Überblick über die ungefähre Anzahl der Schlammpeitzger zu bekommen. Dafür werden die Fische ungefähr zu gleichen Teilen in kleine Aquarien gefüllt, ein Foto gemacht und die Anzahl später am Rechner ermittelt. Einen Teil der Fische setzt er mit Unterstützung der lokalen Angelvereine direkt ins System der Haaler Au, die restliche Brut streckt er in drei kleinen Teichen unserer Anlage in Langwedel vor. Die vorgestreckten Schlammpeitzger werden dann im Herbst ins gleiche Gewässersystem gesetzt. Durch diese Aufteilung will Mattias das Risiko eines Totalausfalls verringern. Aufgrund der Extremlebensräume ist auch in freier Wildbahn davon auszugehen, dass es in manchen Jahren an einigen Gewässerstrecken immer mal wieder zu Ausfällen der Brut kommt. Durch den zweiteiligen Besatz wird sichergestellt, dass mindestens ein Teil des Besatzes überlebt.

Unterstützung vom Land und den Vereinen

Der Präsident Hans-Jürgen Musfeldt vom ASV Lütjenwestedt setzt junge Schlammpeitzger in einen Seitengraben der Haaler Au.

Der Präsident Heiko Sperzel vom ASV Breiholz-Haale setzt junge Schlammpeitzger in einen Seitengraben der Haaler Au.
Foto: LSFV SH

Doch zurück zum Besatz: durch gutes Timing und die intensive Pflege der Brut konnte Mattias mit über 15.000 Brütlingen an die Haaler Au starten. Nochmal fast 10.000 Brütlinge setzte er in die Aufzuchtteiche in Langwedel – über 25.000 junge Schlammpeitzger für unser Land!

Gefördert durch die Fischereiabgabe

Bei dem Besatz begleiteten ihn Martin Purps und Jennifer Klees vom Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR). Das LLUR ist für die Förderung des Schlammpeitzger-Projektes aus der Fischereiabgabe Schleswig-Holsteins (Externer LINK zu pdf) verantwortlich. Außerdem waren die Präsidenten der jeweils hegepflichtigen Vereine dabei. Hans-Jürgen Musfeldt vom ASV Lütjenwestedt und Heiko Sperzel vom ASV Breiholz-Haale unterstützen den LSFV mit Ortskenntnissen und auch praktisch beim Besatz der Jungfische.

Den Schlammpeitzger-Besatz begleiteten Martin Purps und Jennifer Klees vom Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR). Das LLUR ist für die Förderung des Projektes aus der Fischereiabgabe Schleswig-Holsteins verantwortlich. Außerdem waren die Präsidenten der jeweils hegepflichtigen Vereine dabei. Im Bild: Hans-Jürgen Musfeldt vom ASV Lütjenwestedt.

Den Schlammpeitzger-Besatz begleiteten Martin Purps und Jennifer Klees vom Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR). Das LLUR ist für die Förderung des Projektes aus der Fischereiabgabe Schleswig-Holsteins verantwortlich. Außerdem waren die Präsidenten der jeweils hegepflichtigen Vereine dabei. Im Bild: Heiko Sperzel vom ASV Breiholz-Haale.
Foto: LSFV SH

Später im Jahr wird eine Erfolgskontrolle an den Besatzgewässern mit dem Elektrofischerei-Gerät stattfinden – und da hoffen natürlich alle Beteiligten, ein paar der Hoffnungsträger wiederzufangen. Nächster Termin ist dann im Oktober der Besatz der in Langwedel vorgestreckten Schlammpeitzger.

Heiko Sperzel vom ASV Breiholz-Haale setzt etwa 1000 Brütlinge in einen Entwässerungsgrabemn auf der Ostseite der Haaler Au.

Auch der Präsident des ASV Lütjenwestedt, Hans-Jürgen Musfeldt, half bei der Planung und Umsetzung des Projektes mit. hier setzt er etwa 1.000 Brütlinge in einen Seitengraben auf der Westseite der Haaler Au.
Foto: LSFV SH

⇒ Steckbrief Schlammpeitzger

Der auch als Furzgrundel bekannte Fisch ist Spezialist für flache, schlammige Gewässer.

Schlammpeitzger Nahaufnahme

Foto: By Tiit Hunt, CC BY-SA 3.0, commons.wikimedia.org

Der maximal 30 Zentimeter lange schmerlenartige Fisch ist ein wahrer Spezialist. Flache, schlammige Gewässer sind sein Refugium. Hohe Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht sowie extremer Sauerstoffmangel kann er, im Gegensatz zu fast allen anderen Fischarten, gut verkraften. Sein Geheimnis: Darmatmung! Er schluckt Luft und kann den enthaltenen Sauerstoff im Darm nutzbar machen. Daher rührt auch sein Beiname „Furzgrundel“ – die Luft muss ja schließlich wieder raus. Diese Spezialfähigkeit und der Umstand, dass der Schlammpeitzger schlechte Zeiten tief im Schlamm vergraben überdauern kann, machen ihn zum oft alleinigen Bewohner von Grenz-Lebensräumen. In verlandenden Altarmen oder flachsten Gräben der Marschen findet man nicht selten nur ihn und ein paar Stichlinge.

Nicht sehr konkurrenzstark

Bei aller Spezialisierung hat der Schlammpeitzger auch Schwächen: er ist nicht sehr konkurrenzstark. Wenn andere Fische im Gewässer gut klarkommen, hat er meist das Nachsehen. Er laicht erst spät und seine kleine Brut wird häufig das Opfer anderer Fische oder von Insektenlarven. Wenn jedoch die Brut nicht gefressen wird, wächst sie im warmen, nahrungsreichen Wasser beeindruckend schnell heran. Dabei fressen die Heranwachsenden von Schnecken über Insekten so ziemlich alles, was sie bekommen können. Im frühen Herbst messen die Jungfische dann bereits bis über zehn Zentimeter. Danach flacht das Wachstum jedoch ab und mehr als 30 Zentimeter erreicht der Spezialist nicht. Das wäre im flachen Schlammtümpel ja auch nicht gerade praktisch.