Einen Blanklachs in einem Fluss in Deutschland zu fangen ist ein unglaublicher Glückgriff. Auf die Fliege und dann noch im April? Das ist schon ziemlich unwahrscheinlich! Dennoch gelang Sascha Nickel aus Itzehoe genau dieses Kunststück. Doch dieser Fisch ist nicht nur das Ergebnis von besonders viel Glück und anglerischem Engagement, sondern auch jahrelanger Arbeit für die Wandersalmoniden im Land.

„Das war wohl mein Fisch des Lebens. Meine Hände zittern immer noch.“, sagte Sascha am Abend des Fangtages. Dabei hätte dieser Tag auch ganz anders laufen können – eigentlich sogar sollen. Denn eigentlich wollte sich der Meerforellen-Spezi an diesem Tag auf Abwege begeben und Heringe angeln gehen. Doch irgendwie hatte niemand so recht Zeit mitzukommen, und so entschied er sich, stattdessen „für ein paar Würfe“ an die Stör zu fahren. Eine erst kürzlich erworbene Rolle sollte das erste Mal ausprobiert werden. So richtig ans Fischen dachte Sascha gar nicht, eher ein bisschen werfen, das Wetter genießen und dem Osterstress entkommen. „Der April ist nun wirklich der Monat mit den geringsten Chancen. Die Absteiger sind weg, die Aufsteiger noch nicht da – die kommen erst ab Mai.“ Damit meint Sascha Meerforellen, denn mit Lachs rechnet an der Stör eigentlich niemand ernsthaft …

Alternativprogramm zum Heringsangeln

Nachdem seine ursprünglich anvisierte Flusskurve schon von zwei anderen Anglern besetzt war, stellte sich Sascha an einen Platz, den er normalerweise ehr links liegen lässt. Die Fliege wählte er eher danach aus, dass sie sich entspannt werfen ließ, weniger nach der größtmöglichen Chance auf einen Biss – denn die war ja eh gleich Null. Schon nach ein paar Würfen wurde die Fliege jedoch mitten im Fluss festgehalten, kein aggressiver Biss, keine Flucht, einfach nur ein unspektakuläres Festhalten. Sascha hob die Rute und spürte guten Druck in der Schnur. „Ich dachte an einen ordentlichen Rapfen oder einen fehlgehakten Brassen. Das kommt zu dieser Zeit öfter vor.“ Der Fisch zog zunächst ohne Kopfschläge oder sonstige Kapriolen ein wenig stromauf, was den Eindruck eines fehlgehakten Weißfisches noch mal verstärkte.

Ein Moment, der alles ändert

„Dann stand der Fisch und schlug mit dem Kopf. Da wusste ich, dass ich etwas echt Großes hatte. Es hätte aber immer noch ein großer Rapfen sein können – bis er eine total plötzliche und brutale Flucht hinlegte. Der hat mir sicherlich 20, 30 Meter Schnur genommen.“ In diesem Moment wurde Sascha klar, dass es eigentlich nur ein großer Wandersalmonide sein konnte. Diese plötzliche Erkenntnis machte alles anders, plötzlich geht es um alles … Ein, zwei Fluchten später kam der Fisch bis auf Vorfachlänge heran und zeigte kurz seine Flanke und Schwanzflosse an der Oberfläche. „Da hab ich denn gesehen, dass es ein Lachs ist und meine Knie wurden richtig weich. Ich werde nie das Stahlblau und Silber dieser breiten Flanke vergessen, das ich in diesem Moment in dem Fluss sah, den ich seit meiner Kindheit kenne. Das war ein echt besonderer Moment, so einen Lachs in der Stör zu sehen – und dann auch noch an meiner Angel!“ Weiter zum Sinnieren kam Sascha allerdings nicht, denn mit unbändiger Kraft legte der Fisch, direkt nachdem er enttarnt war, eine weitere Flucht quer über den Fluss hin.

 „Das ging dann noch einige Male hin- und her. Ich war eigentlich sicher, dass ich ihn irgendwann verlieren würde. Das Ganze dauerte so lange, mein Haken konnte ja jederzeit ausschlitzen.“ Doch der Fisch blieb dran und langsam wurde er müde. Die ersten beiden Landungsversuche missglückten, da Sascha allein war, mit einer langen Zweihandrute und einem kurzen Watkescher – keine gute Kombination für eine reibungslose Landung. Beim dritten Versuch warf er den Kescher weg und packte den gewaltigen Fisch an der Schwanzwurzel.

Letztlich gelang Sascha die Landung des Lachses mit dem Schwanzwurzelgriff. So ein Kaliber bietet ja auch schon ein gewisses Widerlager …

„Ich bin dann erstmal bestimmt zehn Meter weit an Land gelaufen, damit der bloß nicht wieder reinfällt. Das Gefühl war unbeschreiblich, obwohl ich wusste, dass ich das noch gar nicht richtig verstanden hatte, was da gerade passiert war. Am liebsten hätte ich mich nach dem Versorgen einfach neben den Fisch ins Gras gelegt und das einfach erstmal verdaut.“ Allerdings kamen andere Angler hinzu, die das Spektakel gesehen hatten – entsprechend aufgeregt – und löcherten den völlig aufgelösten Fänger mit Fragen. „Ich musste dann irgendwann fliehen, das war in dem Moment irgendwie zu wild. Ich musste das erstmal in Ruhe verarbeiten.“

So muss er aussehen: Ein echtes Prachtexemplar von einem Lachs.

Danach fuhr der Glückliche zu Hartwig Hahn, der zuständig ist für das LSFV-Bruthauses in Aukrug. Kurz zuvor hatten die beiden noch telefoniert, wobei Hartwig scherzhaft meinte, dass Sascha bestimmt einen Lachs fangen würde … Jetzt staunte er nicht schlecht. So einen Stör-Fisch zu sehen, ist auch für Hartwig etwas sehr Besonderes – wohl kaum jemand weiß einen solchen Fang so zu schätzen, wie der Mann, der seit Jahrzehnten für den Erhalt des Lachses kämpft. Aus seiner Freude über so einen Prachtfisch machte die Fangmeldung in den Laichfischerkreisen des Landes natürlich gleich die Runde. Das Vermessen und Wiegen ergab 8,5 Kilogramm bei 96 Zentimetern – ein Wahnsinnsfisch für jeden Angler und an einem deutschen Fluss eine echte Ausnahme!

Lohn aller Mühen

Damit es überhaupt solche Ausnahmen geben kann, arbeiten Angler im LSFV Schleswig-Holstein schon seit vielen Jahren an unseren Flüssen und in den Bruthäusern. Überall im Land sind es die Meerforellen- und Lachsbegeisterten, die in tausenden Überstunden für den Erhalt beider Arten sorgen. Bei dieser Arterhaltung ist es nicht mit dem aufwendigen Laichfischfang getan: Abstreifen, Pflege der Eier und Brut sowie das Aussetzen der Jungfische oder gegebenenfalls deren Fütterung und ein späterer Parr- bzw. Smoltbesatz erfordern einen unglaublichen Aufwand, der nur ehrenamtlich geleistet werden kann.

Zahlreiche Junglachse schwimmen im klaren Wasser eines kleinen Baches.
Diese Junglachse wurden im Herbst 2022 in einem Zulauf der Stör freigelassen. Hoffentlich kehren ein paar von ihnen als prächtige Aufsteiger zurück …

Auch wir als Verband könnten ohne die zahlreichen Freiwilligen von der Trave im Süden bis zum Schafflunder Mühlenstrom im Norden ebenfalls nichts bewegen – ohne Engagement der Angler ginge nichts im Land! Der LSFV selbst trägt natürlich seinen Teil bei, personell, organisatorisch und finanziell. So sind auch wir im Herbst unterwegs und befischen, in Absprache mit Kilian Lauff von der Fischbrutanstalt Alt-Mühlendorf, landauf und -ab Salmonidengewässer, um Elternfische für die nächste Generation zu fangen.

LSFV-Biologe Mattias Hempel fischt gemeinsam mit zwei Helfern mit dem E-Gerät nach Meerforellen in einem kleinen Bach.
Auch die LSFV-Biologen befischen im Herbst überall im Land Fließgewässer, um die künstliche Vermehrung der Wandersalmoniden sicherzustellen.

Dass diese Arbeit überhaupt gemacht werden muss, ist darin begründet, dass Laichplätze insbesondere für den Lachs in Form von durchlüfteten, also von Wasser durchströmten, Kiesbetten in unseren Flüssen fast überall fehlen. Strukturverarmung, Sandfracht und Wassermangel haben kiesige Untergründe flächendeckend verschwinden lassen. Diese Kiesbänke sind für die Eiablage und als Kinderstube der Fische jedoch unersetzlich. In der Folge können sich die Salmoniden, Lachs und Meerforelle ebenso wie Bachforellen, fast nirgendwo ausreichend natürlich vermehren. Die künstliche Vermehrung ersetzt also die nicht vorhandenen durchlüfteten Kiesbetten in Schleswig-Holsteins Fließgewässern.

Ein eher träge dahinfließender Fluss ist zu sehen. Es sind keine schnellen Strömungsbereiche zu sehen.
Selbst wenn vielerorts Strukturverbesserungen an unseren Fließgewässern durchgeführt wurden, bewirken geringe Strömungsgeschwindigkeiten und mobiler Sand, dass es nur wenige intakte Laichplätze für Salmoniden gibt.

Zahlreiche großräumigem, grundlegende und teure strukturverbessernde Renaturierungsprojekte im Land wären nötig, um den Zustand soweit zu verbessern, dass die Arbeit der Angler nicht mehr nötig wäre. Ob dies jemals passieren wird? Wir kämpfen dafür, aber am Ende überwiegen in der Politik oft genug andere Interessen, wie gerade im Streit um Salzeinleitungen an der Stör wieder mal zu sehen ist … Also werden wir Angler bis auf weitere gefordert sein, uns um unsere Lieblinge zu kümmern.

Schützen und Nutzen

Bei unseren Wandersalmoniden sieht man einmal mehr, dass Schutz und Nutzung im Zusammenspiel sehr gut funktionieren können. Insgesamt werden jährlich keine zehn Lachse von Anglern in der Stör gefangen – geschätzt sind es eher fünf oder gar noch weniger. Der Rest der Fische kommt beim Laichfischfang oder überhaupt nicht zum Vorschein – Hartwig Hahn vermutet, dass viele Lachse im Mittellauf (unerfolgreich) auf relativ ungeeignetem Grund ablaichen und dann auch schon wieder absteigen. Bei solchen Zahlen und Umständen wird nochmals deutlicher, wie außergewöhnlich der Fang eines blanken Lachses in der Stör ist – letztlich ist jeder dieser Fische ein Verdienst aller, die sich beim Laichfischfang und der Erbrütung einbringen.

Der Bestand basiert auf Laichfischfang und der Aufzucht der Junglachse. So sind in 2022 zum Beispiel 10.000 angefütterte Lachse ausgesetzt worden. Die Lachfischfangsaison im Herbst erbrachte sogar erfreuliche 40.000 Lachseier, die in 2023 als Besatzlachs wieder in die Stör gesetzt werden – dies wäre ohne Angler, die die Arbeit machen, nicht möglich. Ein guter Anreiz für jeden Angler ist es, die Chance zu haben, auf Meerforelle und (mit sehr geringer Chance) auf Lachs fischen und auch mal einen dieser tollen Fische entnehmen zu dürfen. Im letzten Juni konnte Mario Sögting einen solchen tollen Blanklachs fangen, das Foto machte damals übrigens Sascha Nickel – bei seinem Fisch nun lief es andersherum.

Ein Angler präsentiert einen blanken Lachs, ebenfalls an der Stör gefangen.
Im letzten Sommer fing Mario Sögting, ein Freund des jetzigen Fängers, ebenfalls einen schönen Lachs in der Stör – Fleiß wird irgendwann belohnt.

Nur sehr selten zahlt sich die Arbeit in Form eines schönen Fanges für einen der Freiwilligen selbst aus. Mit Sascha Nickel hat es nun einen Angler getroffen, der es wirklich verdient hat. Er selbst stand schon unzählige Male mit E-Gerät im Boot, organsierte Lachs- und Forellenbesatz in der Stör und kümmert sich als Ausbilder und Koordinator der Fischereischeinprüfungen auch um anglerischen Nachwuchs im Land. Wir freuen uns mit Sascha und sind froh, dass sich die harte Arbeit der vielen Jahre auch mal in Form eines so prächtigen Fisches auszahlt. Petri Heil!