Gefährdung durch Strukturdefizite

Der Zustand der Fischfauna und Gewässerstrukturen

Die Fischfauna vieler Tieflandbäche befindet sich nicht in einem guten Zustand. Ursächlich hierfür ist ein Komplex aus verschiedenen historischen und aktuellen Faktoren. Die Degradation der Gewässerstruktur ist dabei ein häufig genannter Stressor. In einer Auswertung der ersten fischbiologischen Erhebungen nach Wasserahmenrichtlinie wurde der Zusammenhang zwischen dem Zustand der Fischfauna der unteren Forellenregion und hydromorphologischen Variablen untersucht.

Variablen der Laufentwicklung, der Umlandnutzung, der Geomorphologie und des Substrats zeigten die strukturelle Degradation auf und erwiesen sich als einflussreich für die Zusammensetzung der Fischzönose. Positive strukturelle Indikatoren für den ökologischen Zustand der Fischfauna waren eine Landnutzung mit Laubwald und eine hohe Tiefenvarianz. Negative Indikatoren betrafen eine intensive Grünlandnutzung, einen hohen Schlammanteil an der Sohle, eine hohe Eintiefung des Gewässers sowie eine der Forellenregion nicht angepasste Vergrößerung des Profilquerschnitts und bei kleineren Bächen ein überhöhter Sandanteil. Insgesamt korrelierte die Artenzahl signifikant mit dem befischten Gewässervolumen, jedoch nicht mit der Fläche und Strecke.

Die fischbiologischen Bewertungen lieferten Ergebnisse, die in einem komplexen, aber plausiblen Zusammenhang zur Struktur standen. Aus einer variablen Struktur kann jedoch nicht zwangsläufig auf eine gute fischökologische Zustandsklasse geschlossen werden, obgleich bei einer degenerieren Struktur eine degenerierte Fischfauna sehr wahrscheinlich ist. In der mäßigen Zustandsklasse können verschiedene Ausprägungen der morphologischen Degradation und verschiedene Fischzönosen vorliegen.

Morphologische Ziele

Aufgrund der Ergebnisse können für Restaurationsmaßnahmen, mit dem Ziel des guten fischbiologischen Zustands der Forellenregion, folgende integrierende hydromorphologische Teilziele empfohlen werden:

  • Das Gewässerprofil hat eine hohe Tiefenvarianz, die z.B. anhand der Anzahl der Kolke abgeschätzt werden kann.
  • Das Gewässer fließt durch einen Laubwald oder wird von einem mit Gehölz bestandenen Uferrandstreifen begleitet.

12 Thesen: Indikatoren für die Effektivität von Maßnahmen und für Erfolgskontrollen

  1. Hydromorphologische Verbesserungen sind vorab in der Maßnahmenplanung über die Erreichung iterativer morphologischer Teilziele zu definieren.
  2. Hydromorphologische Verbesserungen orientieren sich an den heutigen Prozessen des Sedimentregimes und Abflussverhaltens. Iterativ eingesetzte impulsgebende Maßnahmen revitalisieren kosteneffizient degradierte Laufformen.
  3. Hydromorphologische Verbesserungen betreffen eine geomorphologische Mindeststrecke, um morphodynamische Gleichgewichtszustände zwischen Erosion und Ablagerung anzustreben (Nachhaltigkeit der Maßnahme).
  4. Hydromorphologische Verbesserungen betreffen eine ökologische Mindeststrecke, um Wirkungen auf der Skala der Populationen zu erreichen und nicht nur die lokalen Habitatbedingungen punktuell zu mildern.
  5. Die biologische Qualitätselemente sind – als direkte Indikatoren – nur bedingt geeignet, da (1) natürliche Schwankungen, (2) statistische Anforderungen an die Auswertungen, (3) eine unklare Reaktionszeit der Population, (4) zurückliegende unbekannte Störungen und (5) Nachbarschaftseffekte die Regeneration beeinflussen.
  6. Die Fischfauna ist als langfristiger Indikator ultimativ entscheidend für die Beurteilung der Effektivität von hydromorphologischen Maßnahmen.
  7. Hydromorphologische Teilziele – als indirekte Indikatoren – sind als kurz- und mittelfristige Indikatoren zur Überprüfung der Entwicklungsziele gut geeignet.
  8. Entwicklungsziele, die in kleinen und mittelgroßen Fließgewässern der Tieflands nicht die Tiefenvarianz und Substratstruktur verbessern und Ufergehölz einbeziehen, dienen nicht der Erreichung des guten Zustands, sondern mildern nur die degradierten Habitatbedingungen.
  9. Die ökologische Effektivität von Maßnahmen kann anhand kurz- bis mittelfristiger indirekter und langfristiger direkter Indikatoren abgeschätzt werden.
  10. Eine Regeneration des gesamten Gewässernetzes ist unrealistisch. Daher ist es fundamental naturnahe Kernbereiche zu erhalten und ausgehend von diesen iterativ weitere Gewässerstrecken morphologisch zu verbessern oder aufzuwerten. Aus pragmatischer Sicht können Gewässernetze aus funktionalen Teilbereichen zusammengesetzt sein, wobei die Ausdehnung, Anzahl und räumliche Anordnung naturnaher Kernbereiche limitierend für die Erreichung des guten Zustands wirken.
  11. Ökologisch orientierte Maßnahmenplanungen bezogen auf das Einzugsgebiet sind eingeschränkt durch Landnutzungen, aber auch durch mangelndes Fachwissens über populationsbiologische Prozesse auf Landschaftsebene. Nationale wie internationale Forschung klammert diese Skala aus, da die Forschungsmode anders gelagert ist und die Forschungsevaluation generell kurzfristige Ergebnisse bevorteilt.
  12. Da das große landschaftsräumliche (makroskalige) Bild im ökologischen Gewässermanagement nicht umgesetzt werden kann, werden die meisten Maßnahmen trotz mesoskaliger oder mikroskaliger Effektivität allenfallls nur zu einer Milderung der Situation beitragen.

Ob Meerforelle oder Bachneunauge – nur wer die Grundlagen des Forellenbachs kennt und nutzt, wird beim Verbessern von Fischlebensräumen erfolgreich sein. Seit Langem sind die Schriften von Dr. Ludwig Tent wegweisend, für Profis und Ehrenamtler, bei der erfolgreichen Umsetzung von Projekten zur Wiederbelebung unserer Fließgewässer.

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Geschrieben von Dr. Matthias Brunke
Landesamt für Natur und Umwelt
Hamburger Chaussee 25
24220 Flintbek