Eine größere und zwei kleinere Jungforellen liegen am Ufer der kleinen Lippingau.
Trauriges Bild: Die nächsten zwei Meerforellen-Generationen der Lippingau liegen tot auf der Kiesbank.

Vermutlich nach einer Einleitung verunreinigten Wassers kam es am Freitag den 14.07. zu einem massiven Fischsterben in der Lippingau nahe der Geltinger Bucht. Die ersten Begehungen deuten darauf hin, dass auf weiten Bereichen unterhalb der vermutlichen Einleitung die gesamte Au „tot ist“. Besonders dramatisch: Das Gewässer ist eine der wichtigsten Kinderstuben der Meerforelle im ganzen Land!

Ein Blick auf den Bachlauf der Lippingau. Das Wasser ist trübe, ein Schaumteppich treibt an der Oberfläche des kleinen Baches.
Die Verunreinigung sorgte binnen Stunden für übel stinkendes, trübes Wasser und die Bildung von Schaumteppichen in dem sonst sauber und lebendig dahinfließendem Wasser der Lippingau.

Es ist nicht das erste Mal, dass es an der Lippingau im Kreis Schleswig-Flensburg nahe Gelting zu einem massiven Fischsterben kommt. Schon in den vergangenen Jahren gab es dort immer wieder ähnliche Vorfälle, deren Ursprung kein natürlicher war. Die bereits analysierten Wasserproben zeigen deutlich: Wie die Male zuvor ist auch nun wieder von einer massiven Einleitung stark verunreinigten Wassers auszugehen. Die festgestellten Ammoniumwerte liegen weit jenseits natürlich vorkommender Konzentrationen. Ammonium entsteht beim Abbau von Eiweißverbindungen, hohe Werte deuten auf die Einleitung ungeklärter häuslicher und landwirtschaftlicher Abwässer hin. Dieser Stoff wird deshalb zum Problem, weil er, einmal in Gewässer gelangt, sofort von Bakterien zu Nitrit und Nitrat abgebaut wird und dabei große Mengen Sauerstoff verbraucht. So war es nicht verwunderlich, dass bei Sauerstoffmessungen an der Lippingau unterhalb der vermuteten Einleitung bis zu Null Milligramm Sauerstoff je Liter gemessen wurden – normal wären hier mindestens 6 ml/l.

Eine größere und eine kleinere Jungforelle liegen mit weit aufgerissenem Maul auf einem Stein am Wasser, im Hintergrund erkennt man einen eklig aussehenden Schaumteppich.
Aufgespreizte Kiemen der erstickten Fische, massive Schaumbildung binnen Stunden und stinkendes Wasser – die Zeichen könnten nicht deutlicher sein: hier hat jemand stark belastetes Abwasser eingeleitet!

Todesstoß für Biodiversität in der Lippingau

In der Folge starb die gesamte Au auf diesen Strecken. Zuerst erstickten die jungen Meerforellen, die hier eigentlich ein, zwei Jahre lang ihre Kinderstube haben, bevor sie in die Ostsee wandern. Weniger sauerstoffempfindliche Fische wie Stichlinge, Aale und sämtliche andere Fische sterben kurz darauf. Später krabbelten Wasserinsekten und Krebstierchen wie die Bachflohkrebse an Land. Die Lippingau ist aufgrund ihres einzigartigen, oft völlig unveränderten Bachlaufs eigentlich eine echte Besonderheit für Schleswig-Holstein und ein extrem wertvoller Lebensraum. Im überwiegend kiesigem Grund könnten viele seltene Insektenlarven wie die der Steinfliege leben, doch die immer wieder vorkommenden Einleitungen sind Todesstöße für die Biodiversität. Das seltsame Fehlen fast aller Indikator-Insektenarten ließ auch schon den Biologen Kai Lehmann grübeln, was an diesem Gewässer passiert. Die Antwort liegt nun auf der Hand …

Die Lippingau fließt durch dichten Wald, die Ufer sind mit Bäumen bestanden.
Eigentlich ist die Lippingau ein richtig tolles Gewässer. Struktur solcher Qualität findet man bei uns im Land nur selten.

Die Lippingau könnte eines der artenreichsten und wertvollsten Fließgewässer des Landes sein, würden diese unverantwortlichen „Unfälle“ nicht alle paar Jahre wieder das System zerstören. Der Fischotter lebt hier schon seit Jahren und freut sich jeden Herbst über die in großen Mengen aufsteigenden Meerforellen. Für diese Fischart ist das Gewässer eines der wichtigsten des ganzen Landes. Hunderte laichbereite Fische kommen jeden Herbst hierher, um ihre Eier in die Kiesbetten des Baches zu legen.

30.000 Jungforellen besetzt – alles umsonst?

Zwei größere und viele kleine Jungforellen liegen mit weit ausgespreizten Kiemen tot auf einem Stein.
Toten Jungforellen aus diesem und dem letzten Jahr – diese offensichtlich erstickten Fische lagen auf wenigen Bachmetern tot am Gewässergrund.

Im vergangenen Herbst fehlte allerdings so viel Wasser, dass den Forellen der Weg zu den meisten Laichplätzen versperrt blieb. Kilian Lauff von der Fischbrutanstalt Alt-Mühlendorf (seit Juli vom LSFV übernommen) fischte etliche der Elterntiere im Unterlauf ab und vermehrte sie künstlich in seiner Anlage. Im Frühjahr dieses Jahres setzte er im oberen Bereich mehr als 30.000 Jungfische aus, die den Fortbestand der Meerforelle in diesem wichtigen Gewässer sicherstellen sollten. Nun ist mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Großteil dieser nächsten Generation verloren. Kilian Lauff ist schockiert: „Es kann doch nicht sein, dass sowas heute noch möglich ist. Nachdem es das in der Vergangenheit immer wieder vorkam, müsste man doch denken, dass die Behörden hier endlich mal die Verursacher festgestellt haben und dem einen Riegel vorschieben. Leider muss man von solchen Desastern ja fast schon ausgehen – und so hatten wir fast die Hälfte der Jungforellen oberhalb der vermuteten Einleitung besetzt. Wir hoffen jetzt, dass wenigsten die Fische dort oben überleben – wenn nicht, ist das ein Totalausfall zwei ganzer Jahrgänge. Es würde Jahre dauern, diesen Verlust zu kompensieren.“

Vorfall an Naturschutzbehörde gemeldet – was nun?

Der Vorfall wurde umgehend der zuständigen Wasser- und Naturschutzbehörde und der Polizei gemeldet. Der LSFV war selbst vor Ort, um Wasserproben und tote Fische zur Beweissicherung zu entnehmen. Der Biologe Kai Lehmann, der hier eigentlich das Vorkommen des Fischotters dokumentiert, unterstützte den Verband freundlicherweise tatkräftig und scheute keine Mühen, um den Ort der Einleitung möglichst präzise einzugrenzen. Der LSFV behält sich vor, bei entsprechender Datenlage und einem Ausbleiben von Reaktionen aus der Wasserbehörde, rechtlich gegen den Verursacher vorzugehen.