Liebe Anglerinnen und Angler,
liebe Mitglieder unseres LAV,

auch ich muss mich noch immer daran gewöhnen – so heißen wir jetzt. Nach 75 Jahren wurde aus dem Landessportfischerverband Schleswig -Holstein der Landesangelverband Schleswig -Holstein. Auf der Jahreshauptversammlung im Mai 2023 wurde das so von unseren Mitgliedern beschlossen. Der Begriff Sport in unserem alten Namen hatte immer öfter für Verwirrung gesorgt. Landesangelverband trifft da mehr den Kern der Sache. Nach bewegter Debatte wurde dieser demokratische Beschluss gefasst, und jetzt muss sich auch der Präsident an das neue LAV gewöhnen. Namen sind für einen Verband in der Außendarstellung wichtig – aber noch viel wichtiger ist es, dass der Name im Inneren mit Leben erfüllt wird und dass die anfallende Arbeit geleistet wird. Davon gab es 2023 genug! Ein bewegtes Jahr liegt hinter uns – ein Jahr mit viel Arbeit und großen Überraschungen.

Das Jahr der überraschenden Aufgaben

Manche Aufgaben kennt oder erahnt man vorher, andere kommen aus dem Nichts. Mitte März 2023 erfuhr ich mehr oder weniger zufällig, dass der Verband der Teichwirte und Binnenfischer den Betrieb der traditionsreichen Fischbrutanstalt Alt-Mühlendorf einstellen wird. Seit dem 1. Juli 2023 sind wir Pächter der Anlage und haben einen neuen Mitarbeiter: den Fischwirtschaftsmeister Killian Lauff. So schnell kann das gehen – und manchmal muss es eben auch so schnell gehen. In Alt-Mühlendorf werden seit Jahrzehnten die Artenschutzprogramme für die Meerforellen in Schleswig-Holstein durchgeführt, dort und in unserem LAV Bruthaus Aukrug. Viele unserer Vereine an den Fließgewässern werden seit langer Zeit von Alt-Mühlendorf betreut. Ali Hahn war dort 30 Jahre lang der Fischwirtschaftsmeister, auf ihn folgte Kilian Lauff. Treene, Trave, Schafflunder Mühlenstrom und viele andere Gewässersysteme haben Probleme, die natürliche Reproduktion der Salmoniden funktioniert nur noch bedingt. Die Angelvereine fangen in Zusammenarbeit mit den Fachleuten aus Alt-Mühlendorf laichreife Fische. Das Abstreifen und erbrüten der Eier erfolgt dann in der Fischbrutanstalt. Gleiches macht unser LAV seit langer Zeit im Bruthaus Aukrug. All das hört sich erst einmal ziemlich simpel an, tatsächlich sind diese Vorgänge aber kompliziert, sehr arbeitsintensiv und erfordern viel Ausstattung und Technik.

Wer eine Meerforelle an der Küste fängt, kann mit einiger Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass dieser Fisch in Alt-Mühlendorf oder in einer ähnlichen Einrichtung in Dänemark die ersten Tage seines Lebens verbracht hat. Und das Meerforellenangeln an unseren Küsten ist sehr beliebt. Wer möchte es missen? Wir sorgen dafür, dass es geht! In Alt-Mühlendorf können wir bis zu zwei Millionen Fische im Jahr erbrüten. All den Kritikern, die uns vorwerfen, dass wir durch die Angelei Fischbestände kaputt machen, können wir auch durch diese Aktivitäten ganz klar aufzeigen, dass das Gegenteil der Fall ist. Ohne uns gäbe es kaum noch Meerforellen.

Alternativloses Handeln

Unsere Jugendgruppe hat neulich das Bruthaus besucht. Fernsehteams waren vor Ort und durch unsere neue verstärkte Öffentlichkeitsarbeit bringen wir die Probleme unserer Fließgewässer und der darin lebenden Arten immer mehr in den Fokus der Menschen im Land. Wir Angler bewegen richtig was und wir passen auf unsere Gewässer auf – das kommt immer mehr an. Was wäre passiert, wenn Alt-Mühlendorf ganz sang- und klanglos die Türen geschlossen hätte? Wenn wir als LAV nicht reagiert hätten? Was wäre die Alternative zu unserem schnellen Handeln gewesen? Für mich war unser Vorgehen alternativlos.

Diese neue unverhoffte Aufgabe hat uns vor große Herausforderungen gestellt. Bisher haben wir sie erfolgreich gemeistert. Das Bruthaus ist gefüllt und unser neuer Mitarbeiter Kilian Lauff hat großartige Arbeit geleistet. Wir haben nun alle Salmonidenprojekte im Land in der Hand der Angler – unter dem Dach des LAV. All das war so nicht geplant, weder finanziell, noch vom Arbeitsaufwand. Aber wir haben diese Herausforderung angenommen, zum Wohle unserer Fischbestände und unserer Angler.

Gelebter Ostseeschutz

Alle reden derzeit vom Ostseeschutz – wir leisten ihn, unter anderem mit unseren Arbeiten an den Ostseezuläufen – und das schon lange. Einige Menschen im Lande wünschen sich nun einen Nationalpark Ostsee. Auch das war ein Thema, das uns in diesem Jahr unverhofft viel Arbeit beschert hat. Die ganze Debatte um einen möglichen Nationalpark war nicht sachlich oder faktenbasiert, deshalb hat sie unwahrscheinlich viel Zeit gekostet. Die Befürworter eines Nationalparks, allen voran das Umweltministerium, haben es versäumt, ganz klare Vorstellungen auf den Tisch zu legen. Was, wann, wo und vor allem warum – auf welcher wissenschaftlichen Grundlage sollte der Nationalpark eingerichtet werden?

Alles sollte erst einmal ergebnisoffen in Workshops und Arbeitsgruppen besprochen werden. Wir als LAV haben uns früh und mit guten Argumenten gegen einen Nationalpark positioniert. Diese Meinung haben wir auch auf zahlreichen Veranstaltungen vertreten, aber das hat unwahrscheinlich viel Arbeitszeit gekostet, die so eigentlich nicht eingeplant war. Anfang des Jahres 2024 wird sich nun zeigen, wohin die Reise mit dem verstärkten Ostseeschutz geht. Wir sehen durchaus die Notwendigkeit, dass viel mehr passieren muss, aber wir halten den Nationalpark für das völlig falsche Instrument. Pragmatisches Handeln mit vorhandenen Instrumenten ist die Devise. Ein Nationalparkamt mit noch mehr Theorie und Verwaltung wird der Ostsee wenig bringen.

Digitaler Aufbruch

Der digitale DAFV Mitgliedsausweis war ebenfalls ein Thema, mit dem wir uns kurz vor unserer JHV im Mai 2023 beschäftigt haben. Er soll in den Vereinen und bei uns die Mitgliederverwaltung leichter machen, und er bietet viele weitere organisatorische Vorteile für uns alle. Es ist immer schwer, solche Neuerungen umzusetzen. Wir dürfen aber nicht aus Bequemlichkeit immer nur an bestehenden Strukturen festhalten. Wenn es bessere, neue Wege gibt, müssen wir sie nutzen. Auch ich tue mich manchmal schwer mit den ganzen digitalen Neuerungen, aber wir müssen auch an die Leute denken, die uns in unseren Ehrenämtern folgen. Das muss handhabbar und irgendwie auch attraktiv bleiben.

Kein junger Mensch hat mehr Lust, Papiermarken in uralte Hefte zu kleben. Wenn die anfängliche Arbeit bei der Umstellung auf den digitalen Mitgliedsausweis getan ist, erleichtert das uns allen in Zukunft die Arbeit. Erstaunlich viele Vereine sind nach der Vorstellung des neuen Systems bei der JHV 2023 sofort auf den Zug aufgesprungen. Mittlerweile über 12.000 Angler haben diesen Ausweis. Auf der JHV am 5.5.2024 werden uns einige dieser Vereine bestimmt über ihre ersten Erfahrungen berichten. Ziel ist, dass wir zeitnah alle auf dieses System umbauen. Nur dann macht es richtig Sinn. 

Kümmern und informieren

Letztes Jahr um diese Zeit nahm die größte Ölkatastrophe, die Schleswig-Holstein je erlebt hat, ihren Anfang. Um die Elbe, das Wattenmeer und um die Wasservögel machte man sich große Sorgen – um das artenreiche Leben unter Wasser im NOK offensichtlich nicht so sehr. Wäre nur ein Seehund ölverschmiert verendet, hätte das für einen Riesenaufschrei gesorgt. Die Fischbestände des Kanals hingegen waren für die beteiligten Politiker scheinbar uninteressant.

Wir angeln und verzehren diese Fische, und wir kümmern uns um die Arten und Bestände. Wir haben Öffentlichkeit gemacht, nachgefragt und nachgehakt. Wir haben unsere Hilfe bei Beprobungen angeboten und diese dann auch geleistet. All das hat uns das ganze Jahr weiterverfolgt. Leider gab es auch an zahlreichen anderen Gewässern Verunreinigungen, beispielsweise am Ostseezufluss Lippingau. Unser Fischereiberater Marius Behrens beschäftigt sich ständig mit solchen Vorfällen. Er beprobt und berät die Betroffenen. Oft haben wir den Eindruck, dass bei den unteren Wasserbehörden und bei der Polizei zu wenig geschultes Personal vorhanden ist. Gerade im Hinblick auf mehr Ostseeschutz dürfen solche Probleme nicht unbeachtet bleiben. Mittlerweile sind wir dazu übergegangen, solche Sachen kundzutun und öffentlich zu machen, damit sich etwas zum Positiven wandelt – auch dafür haben wir jetzt mit Johannes Radtke eine hervorragende Fachkraft.

In vielen Bereichen war das Jahr herausfordernd und anstrengend. Ein Hackerangriff auf die IT-Firma, die viele unserer Dateien und unser Organisationsprogramm verwaltet, sorgte für sehr viel Mehrarbeit bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in unserer Geschäftsstelle. In gewohnt zuverlässiger Manier und mit sehr großem Einsatz wurden trotzdem alle Aufgaben bewältigt, die ein so großer Verband in der Verwaltung mit sich bringt.

Wertvolle Projekte fortgeführt

Wo immer es vernünftig möglich ist, versuchen wir gute Angelgewässer für unsere Angler zu sichern. Und so haben wir haben mit dem Prüßsee im Kreisherzogtum Lauenburg ein neues Verbandsgewässer gepachtet. Der Prüßsee ist ein sehr spannendes Gewässer – nicht nur wegen seiner Verbindung zum Elbe-Lübeck-Kanal. Die Anpachtung hat 2023 bei Rüdiger Neukamm sehr viel Arbeit verursacht, aber es hat sich gelohnt! 2024 werden wir uns nun um Boote und neue Landangelplätze kümmern. Am Ende des Tages soll sich so ein Gewässer selber tragen, aber natürlich erhalten LAV Mitglieder für die Erlaubnisscheine Sonderkonditionen.

Wie immer hat sich unsere Biologenabteilung um das Monitoring der Fischbestände und um Besatz gekümmert. Ebenfalls standen Artenschutzprogramme und die Ausbildung der Gewässerwarte im Fokus. Das Schlammpeitzgerprojekt in Langwedel läuft von Jahr zu Jahr besser. Dr. Matthias Hempel und unsere FÖJ Kräfte investieren dort sehr viel Arbeitszeit. Wir sind der zweitgrößte Naturschutzverband im Land und wollen auch solche Arbeiten leisten, die nicht direkt dem offensichtlichen Selbstzweck dient. Dies ist Arbeit für eine gesunde Natur, in der wir alle unserem Hobby nachgehen wollen.

Auch um Soziales haben wir uns wie immer gekümmert. Der Jugendvorstand war sehr aktiv. Die LAV Jugend Veranstaltungen waren immer ausgebucht und das aus gutem Grund- unsere Jugend macht hervorragende Arbeit! 38 barrierefreie Angelplätze stehen inzwischen in Schleswig-Holstein zur Verfügung und unser Ziel ist es, bis 2027 mit unserer Fachkraft Sabine Hübner die 50 vollzumachen. An einigen Stellen ist schon alles baureif geplant und wartet nur noch auf die Umsetzung. Jahrelang haben wir dafür großartige Unterstützung und Förderung, hauptsächlich aus Mitteln der Fischereiabgabe, erfahren. Im April 2024 wird diese Förderung nicht mehr fortgesetzt, und wir müssen andere Finanzierungsquellen auftun. Das wird auch in vielen anderen Bereichen so sein. Nur aus unseren Mitgliedsbeiträgen könnten wir nicht mal ansatzweise unser Personal finanzieren. Die Suche nach neuen Förderern wird uns 2024 stark beschäftigen. Es wird also nicht langweilig!

2023 war voll mit Arbeit – ich konnte hier nur ansatzweise ein paar Beispiele anreißen. Nicht alles lief immer golden und wir haben auch Fehler gemacht. Dem einen oder anderem werden wir auch Anlass zur Kritik gegeben haben. Es gibt auch in unseren Reihen manchmal ganz unterschiedliche Denkansätze. 43.000 Köpfe sind unter unserem Dach vereint – da bekommt man nie alle unter einen Hut. Trotzdem sind wir Angler nur gemeinsam stark und müssen unsere Kräfte bündeln: in Vereinen, Kreisverbänden, Landesverbänden und auch im DAFV. Der einzelne Angler oder die einzelne kleine Gruppe wird nichts ausrichten können gegen all unsere Gegner. Wir müssen noch viel mehr in die Öffentlichkeit bringen, was wir alles leisten. Das geht nur gemeinsam. Kritische und sachliche Auseinandersetzung im Inneren, gemeinsame geschlossene Interessen-vertretung nach Außen – nur das kann der Weg sein.

Ich bedanke mich ganz herzlich bei allen ehrenamtlich Tätigen in den Vereinen, Kreisverbänden, bei unserem LAV und bei unseren hauptamtlichen Mitarbeitern, die 2023 in diesem Sinne gewirkt haben.
Frohe Weihnachten und einen guten Rutsch wünscht euch

Peter Heldt