Die Welt um uns herum ist in einer schwierigen Phase. Man versucht trotz allem konzentriert an seinen eigenen Baustellen zu arbeiten und im Alltag „gerade vor“ zu kommen.

Baustellen haben wir auch beim LSFV genug und nicht alle haben wir uns selbst ausgesucht. Vieles liegt gerade ganz akut an:

Aalbesatz, digitaler Mitgliedsausweis, die „Angeln-In“ App, die Umbenennung des Verbandes, die Verbesserung unserer Öffentlichkeitsarbeit, die verstärkte Teilnahme an Messen und Veranstaltungen, das Intensivieren der Kontakte zur Landespolitik – all das hatten wir uns in letzter Zeit selbst vorgenommen und mit Elan vorangebracht. Natürlich treiben wir auch unser langfristiges Projekt „Barrierefreie Angelplätze“ in der Praxis immer weiter nach vorne. Eigentlich sind wir „gut davor“.

Aber es gab und gibt auch viele Baustellen, die wir uns so nicht ausgesucht haben …

Der Ölunfall auf dem NOK und die aus unserer Sicht mangelhafte Aufarbeitung des Vorfalls durch das Land haben uns viel Arbeit gemacht. 

Die Vertreter des LSFV und des Verbandes der Teichwirte und Binnenfischer stehen vor einem Nebengebäude und einem Teich in der Fischbrutanstalt Alt-Mühlendorf.
Ende gut, alles gut – die Übernahme der Fischbrutanstalt und die Einstellung von Kilian Lauff sind vollbracht! LSFV und der Verband der Binnenfischer in Person von Peter Heldt, Sabine Schwarten, Kilian Lauff, Rüdiger Neukamm und Peter Liebe bei der Übergabe der Anlage.

Wir sind gerade dabei, in einem sehr engen Zeitfenster das Projekt Meerforelle im Land zu retten. Der Verband der Teichwirte und Binnenfischer hat kurzfristig den Betrieb in Altmühlendorf eingestellt und dem Personal gekündigt. Viele unserer Vereine haben in Kooperation mit Altmühlendorf ihre Salmoniden Projekte bearbeitet. Viele Fördergelder, auch für die Technik, sind in die Brutanstalt investiert worden. Die Arbeiten, die dort geleistet werden, sind wichtig für unsere Wanderfische und für die Angler. Wir haben nun Altmühlendorf – vorerst als Pächter – übernommen und den Fischwirtsmeister Kilian Lauff bei uns eingestellt. Das alles, inklusive der Vorgänge um die Förderprojekte in der Kürze der Zeit umzusetzen, war eine komplexe und schwierige Aufgabe. Aber was wäre die Alternative gewesen?! Nun leisten wir auch diese wichtige Aufgabe und wir versuchen, das Projekt auf langfristig stabile Beine zu stellen. Auch hier sind wir „gerade vor“.

Man versucht sich auf das Wesentliche und Wichtige zu konzentrieren, um mit den gestellten Aufgaben klarzukommen.

Aber was ist das Wichtige? 

Eine große Baustelle ist momentan für uns die Diskussion rund um den Nationalpark Ostsee. Wir wollen Ostseeschutz, und haben dafür auch konkrete Vorschläge – aber wir wollen keinen Nationalpark. Wir haben dazu einen klaren Standpunkt erarbeitet und mit fachlichen Argumenten hinterlegt. Aber natürlich müssen wir uns auch weiterhin in die Diskussion einbringen, unsere Argumente vertiefen und immer wieder vortragen. Es gilt, unzählige Veranstaltungen, Workshops und Termine zu dem Thema zu besuchen. Dies tun wir mit großem Eifer!

Doch tatsächlich frage ich mich manchmal – wozu der ganze Aufwand? Was bringt uns und der Ostsee ein Projekt Nationalpark Ostsee? Wo ist der Mehrwert?

Neulich war ich auf einer Veranstaltung zu dem Thema auf dem Wittkielhof bei Kappeln. Auf Einladung der örtlichen Tourismus- und Wirtschaftsverbände waren rund 280 Gäste erschienen. Kommunalpolitiker, Touristiker, Landwirte, Wirtschaftstreibende, Fischer, Angler, Segler, Surfer, Gastronomen, aber auch viele interessierte Bürger versammelten sich in der riesigen Scheune.

Drei Frauen aus dem Umweltministerium stellten die Idee, das Projekt Nationalpark Ostsee, vor – ohne dabei in irgendeiner Form konkret zu werden. Danach gaben verschiedene Interessengruppen ihre Statements zu dem Thema ab. Dann durften aus dem Publikum Fragen gestellt werden – kaum eine wurde von den Ministeriumsmitarbeitern wirklich beantwortet. Man sei in der Konsolidierungsphase und baue auf die Workshops, die nun kommen sollen. Konkrete Planungen gibt es angeblich von Seiten des Landes noch keine – und so verlaufen all die Gesprächsrunden, die es im Moment landauf-landab gibt, relativ fruchtlos. Man debattiert ins Blaue hinein. Eine Aussage kommt aber immer wieder aus dem Ministerium: es solle kaum Einschränkungen für die Menschen in der Region geben! Im Gegenteil, der Nutzen für den Tourismus und die Wirtschaft vor Ort sei riesig.

Aber vielen fehlt da die Phantasie. Wie möchte man riesige Kernzonen mit Nullnutzungszonen in den Schutzflächen installieren, wenn man die bisherige Form der Nutzung nicht stark ändert oder einschränkt?

Diese Abbildung kennt inzwischen jeder im Norden – und ihr Inhalt findet kaum Freunde entlang der Küste!

Ganz am Ende der Veranstaltung stellte der Veranstalter die Frage, wer sich denn überhaupt mit der Idee eines Nationalparks anfreunden könne – man wolle den Mitarbeitern des MEKUN ein Stimmungsbild mit nach Kiel geben. Nicht eine Person im Publikum hob die Hand, ein paar wenige enthielten sich.

Auch in den vielen Gesprächen und bei Infoveranstaltungen danach ist mir niemand begegnet, der sich wirklich für den Park begeistern konnte. Das gleiche Bild gaben die bisher abgehaltenen offiziellen Konsultationsworkshops ab: Ablehnung des Vorhabens auf ganzer Breite!

Das Wichtige!

Seit 78 Jahren liegen Unmengen von Weltkriegsmunition auf dem Grund der Ostsee, ohne dass mit der Bergung ernsthaft begonnen wurde.

Bei den Umwelt- oder Schiffsunfällen auf dem NOK konnte man merken, wie wenig vorbereitet unser Land auf solche Fälle ist. Da ist ganz viel Luft nach oben.

Wir hatten gerade ein akutes Fischsterben nach einer Einleitung in den Ostseezufluss Lippingau. Eine große Kinderstube der Ostseemeerforellen wurde mit einem Schlag vernichtet, die giftige Brühe floss in die Ostsee ab, nachdem sie immensen Schaden in der Au verursachte.

Das ist keine Ausnahme, solche Vorfälle gibt es leider häufig. Wo aber sind die Fachkräfte des Landes, die so etwas aufarbeiten, und mit aller Konsequenz nachverfolgen? Natürlich sind unsere LSFV Biologen sofort vor Ort – oder der LSFV Fischereiberater des Landes. Aber unser Handlungsspielraum ist begrenzt. Bräuchten wir nicht viel mehr Spezialisten in den Naturschutzbehörden und mehr Wissen über Umweltvergehen bei der Polizei?  

Solange unsere Fließgewässer regelmäßig so aussehen, wird sich der Zustand der Ostsee wohl kaum verbessern können.

Die Nährstoffeinträge in die Ostsee sind ein großes Problem, das schon im Binnenland entsteht. Die EU Wasserrahmenrichtlinie (EU-WRRL) hatte das Ziel, bis 2015 auch die Ostseezuläufe in einen guten ökologischen Zustand zu bringen. Davon sind wir nach wie vor weit entfernt. Bei der EU-WRRL wurde jeder norddeutsche Tieflandbach in dasselbe bürokratische Erfassungsbogenschema gepresst wie ein italienischer Hochgebirgsbach. Viel Verwaltung, wenig praktischer Erfolg. Daraus konnte man lernen! Viele solcher Großprojekte münden im Nichts. Naturschutz findet am besten in der Region statt, mit Ortskenntnis und mit den Menschen vor Ort! Wir sprechen derzeit aber nicht über einen Regionalpark, sondern über einen Nationalpark. Schon der Name sagt, wo am Ende entschieden wird. Und nach vielen Veranstaltungen wird deutlich: die Menschen vor Ort wollen diesen Nationalpark nicht!

Wir schaffen immer mehr Verwaltung und neue Ministerien. Das ehemalige MELUND wurde geteilt. Wo man hinhört – in allen Landesämtern fehlen Fachkräfte. Brauchen wir noch ein neues Nationalparkamt? Brauchen wir noch mehr Handlungsrahmen, Bürokratie und Regelung?

Wir leben in einer Zeit, in der die Populisten immer mehr Nährboden finden. Wäre es in dieser speziellen Zeit nicht notwendig, Handlungs-fähigkeit zu zeigen und mit bestehenden Werkzeugen einfach mal die akuten Probleme in der Praxis anzugehen und abzuarbeiten? Bestenfalls gemeinsam mit den Menschen vor Ort zu arbeiten, statt gegen diese? Brauchen wir wirklich erst ein neues Nationalparkamt, um die Munition zu bergen, die seit 80 Jahren auf dem Grund unserer Ostsee als Zeitbombe vor sich hin tickt?

Viele haben keine Lust mehr auf Workshops und Konsolidierungsrunden – man wünscht sich endlich zielgerichtete Handlungen, um den schlechten Zustand der Ostsee zu verbessern!

Wenn nur einige der Probleme der Ostsee direkt angegangen würden, wäre das ein toller Erfolg und ein guter Weg. Dazu brauchen wir den Umweg über einen Nationalpark nicht.

Konzentration auf das Wesentliche: das würde ich mir vom Umweltministerium erhoffen – dann wäre man auch dort „gut davor“.

Peter Heldt – LSFV Präsident