Zwei Wochen nach dem Fischsterben waren Kilian Lauff und Martin Purps zur Schadensabschätzung an der Lippingau.

Nachdem es am 14.07. zu einem massiven Fischsterben an der Lippingau an der Flensburger Förde kam, gibt es nun zumindest ein paar gute Nachrichten. Bei einer Probebefischung konnten wir sowohl Fische als auch wichtige Wasserinsekten finden. Zudem plant die zuständige Behörde in Zusammenarbeit mit uns nun den Einbau von Messtechnik zur besseren Überwachung des Gewässers.

Es war ein emotionaler Moment für Kilian Lauff aus unserer Fischbrutanstalt: vor seinem Elektrofischgerät taucht schon nach wenigen Metern die erste, kleine Meerforelle auf. Dieser Fisch ist hier, auf der am schlimmsten betroffenen Strecke der Lippingau, ein kleines Wunder. Zwei Wochen zuvor sah es so aus, als ob alles Leben ausgelöscht sei. Eine nicht nachgewiesene Einleitung einer giftigen Substanz hatte alles Leben auf weiten Strecken des Baches erstickt. Jeglicher Sauerstoff war entzogen, tausende Fische tot.

Tatsächlich kommen einige junge Forellen zum Vorschein.

Dabei ist die Lippingau eine der wichtigsten Kinderstuben für die schleswig-holsteinische Meerforelle und mit seinem teilweise komplett ungestörten Bachbett eine Besonderheit im Land. Auch der ansässige Wasser- und Bodenverband kennt den ökologischen Wert des Gewässers: er setzt seit vielen Jahren mit Engagement und Sachkenntnis aufwendige Renaturierungsprojekte um.

Kiesgrund und Baumwurzeln: die Lippingau ist ein top-Forellengewässer für Schleswig-Holstein.

Hier wird nicht geangelt, nicht gefischt – dieser Bach soll vorrangig der Fortpflanzung und dem Heranwachsen der Forellen dienen. Da jedoch das Gewässer einige wichtige Funktionen aufgrund von Trockenheit und stets wiederkehrender Störungen menschlichen Ursprungs nicht erfüllen kann, hilft der Mensch nach. Erst im Frühjahr hatte Kilian im Rahmen des Fischartenhilfsprogramms „Fischhorizonte“ 30.000 junge Forellen in dem kleinen Bach ausgesetzt – finanziert durch Landesmittel aus der Fischereiabgabe. Vor zwei Wochen schien die Katastrophe die Arbeit zunichte gemacht zu haben.

Schonende Befischung zur Bestandskontrolle

Die erste Forelle auf einer besonders schlimm getroffenen Strecke wird kritisch betrachtet …

Nun liegt der lebende Beweis für die Widerstandskraft dieser jungen Meerforellen munter und zappelnd in Kilians Händen. Gemeinsam mit Martin Purps vom Landesamt für Landwirtschaft, Abteilung Fischerei, begutachtet er den Fisch: „Der sieht gut aus! Gut genährt, keine Verletzungen und auch sonst erfreulich lebendig.“ Mit einem Satz springt die Forelle zurück ins Wasser. Gefangen werden die Fische mit normaler Elektrofischerei: schonend für den Fisch und störungsarm für das Gewässer.

… doch sie sieht richtig gut aus: wohlgenährt, gesund und sehr agil.

Dank einer guten Zusammenarbeit mit der unteren Wasserbehörde in Schleswig konnten wir gemeinsam mit der Fischereibehörde des Landes nun diese erste Befischung durchführen. Ziel dieser Untersuchungen ist es, herauszufinden, ob Fische und Wasserinsekten überlebt haben oder aus nicht geschädigten Bereichen einwandern und ein besseres Verständnis über die genaue Ausbreitung der Einleitung zu bekommen. Dafür wurde die Lippingau an verschiedenen Stellen gezielt befischt, dazu gehörten Gewässerstrecken oberhalb und unterhalb der vermuteten Einleitung – auch die besonders schlimm betroffenen Abschnitte.

Überlebende und Zugereiste

Die Befischungen verliefen erstaunlich erfreulich: es scheinen einige Fische die Katastrophe überlebt zu haben! Sogar auf den totgeglaubten Strecken konnten Kilian und Martin ein paar junge Forellen, vermutlich in diesem Frühjahr besetzte Fische, fangen. Kilian meint: „Entweder hat ein solcher Fisch mit viel Glück überlebt – vermutlich direkt hinter einer Rausche, die noch minimal Sauerstoff ins Wasser brachte – oder er kommt aus dem Oberlauf. Zum Glück hatten wir so heftige Regenfälle, da könnten mit dem steigenden Wasser eine Menge Fisch flussabwärts gewandert sein. Hätten wir jetzt noch einen trockenen Sommer gehabt, wären die Folgen noch schlimmer gewesen.“ Angesichts ähnlicher Unfälle an der Lippingau in der jüngeren Vergangenheit wurde im Frühjahr ein Teil der Fische oberhalb der vermuteten Einleitungen ausgesetzt. Diese Fische scheinen den Bestand nun retten zu können.

Woher du wohl kommst – überlebt oder von oberhalb eingewandert? Das zu wissen, wäre spannend.

Vor allem junge, mobil lebende Forellen und einige Aale, die aus der Ostsee aufsteigen, besiedeln aktuell den Lebensraum neu. Stichlinge wurden bei der Befischung an diesen Strecken nicht nachgewiesen. Das Fehlen dieser äußerst widerstandsfähigen Fischart spricht dafür, dass die gefangenen Forellen tatsächlich eher von oberhalb der vermuteten Einleitung eingewandert sind.

Auch einige Aale konnte Kilian fangen. Sie sind vermutlich aus der Ostsee aufgestiegen.

Der Schaden bleibt

Die nachgewiesenen Fische sind ohne Frage ein Hoffnungsschimmer, aber für Kilian bleibt bei der Begehung der hübschen Lippingau ein bitterer Beigeschmack: „Die tausende Fische, die genau hier vor zwei Wochen elendig erstickten, bevor sie ein Jahr alt wurden, kann ich nicht vergessen, wenn ich am Bach entlang gehe. Der Schaden für die Umwelt ist immens. Nur die ganz jungen Forellen haben überlebt, alle älteren sind verloren. Auch die Fischmengen, die wir hier jetzt sehen, sind nur ein Bruchteil dessen, was in einem solch perfekten Lebensraum zu erwarten wäre.“

Die kleinen Bachflohkrebse haben die Katastrophe relativ gut überstanden. An manchen Stellen kommen viele zum Vorschein.

Glücklicherweise hat mit dem Bachflohkrebs noch ein wichtiger Bewohner überlebt. Besonders einige jüngere Exemplare dieser zähen Mini-Krebstierchen scheinen die Katastrophe überstanden zu haben. Auch ein paar Köcherfliegen sowie deren Larven – wichtige Arten für solche Fließgewässer – entgingen Martin als Biologe natürlich nicht. Somit sind zumindest Teile der Nahrungskette der Lippingau noch vorhanden. Die Selbstheilungskraft solcher Ökosysteme ist beeindruckend – wenn dem Gewässer eine Chance gegeben wird!

Auch unter den Steinen ist hier und da noch Leben. Die Larven vieler Insektenarten entwickeln sich in Fließgewässern …
… wie zum Beispiel bei den Köcherfliegen.

Vorbeugung durch Sensorik

Um solchen Umweltverschmutzungen vorzubeugen oder zumindest schnell reagieren zu können, hat die zuständige Wasserbehörde in Absprache mit uns signalisiert, Sensoren zur Überwachung der Wasserqualität in das Gewässer einbauen zu wollen. Moderne Messstationen können auffällige Messwerte sogar als Alarm per Anruf oder SMS an einen Empfängerkreis übermitteln. Wir werden die Behörde bei der Umsetzung unterstützen – sowohl bei der Auswahl entsprechender Sensorik als auch bei deren Einbau und darüber hinaus. Die Zusammenarbeit der Behörden untereinander und nach außen ist in diesem Fall wirklich erfreulich. Wir waren mehrfach im Austausch miteinander und konnten uns gegenseitig unterstützen. Zwar konnte ein Verursacher nicht direkt ermittelt werden, doch die zuständige Wasserbehörde in Schleswig setzte einiges daran, genau dies zu tun – und letztlich setzte sie nun viele Hebel in Gang, um die Lippingau in Zukunft besser schützen zu können.

Auch wenn die Befischung noch recht erfreulich verlief – Kilian und Martin sind sich einig: es war eigentlich viel zu wenig Fisch!